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Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht
Autoren: Susanne Klingner
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ich mir das Rezept in Ruhe durch und bin schockiert, wie wenig schnell-schnell so ein selbst gebackenes Brot geht. Nach jedem einzelnen Schritt steht da: »Gehen lassen.« Mal eine halbe Stunde. Mal zwei Stunden. Mal so lange, bis die Größe des Teigs sich verdoppelt hat.

    Aber gut, das hier ist ein Experiment, da wird nicht genörgelt. Jedenfalls nicht gleich beim allerersten Vorhaben.
    Ich zerbröckle, wie im Rezept angegeben, einen halben Würfel Hefe, löse ihn in Wasser und einem Esslöffel Joghurt auf und lasse die Mischung eine halbe Stunde stehen. In der Zwischenzeit wärme ich den Ofen etwas an und stelle eine Schüssel mit 500 Gramm Mehl hinein. Ebenfalls für eine halbe Stunde.
    Das warme Mehl fühlt sich schön an, als ich meine Hände hineintauche. Als ich das Hefegemisch dazugieße, ist es nicht mehr so schön. Der Teig batzt eklig an meinen Fingern. Ich knete und knete, bis das ganze Mehl eingeknetet ist, und jetzt soll ich noch zehn Minuten weiterkneten. Aber schon nach drei Minuten tun mir Finger und Arme weh, und der Batz an meinen Händen bewegt sich bei jeder Umdrehung im Teig ein Stückchen weiter Richtung Ärmelsaum. Mit den Zähnen ziehe ich den Ärmel zwischendurch immer wieder hoch, es hilft nichts, am Ende hat er eine angetrocknete Teigkruste.
    Nach ganzen 15 Minuten Kneten – mit zittrigen Armen und ein paar Schweißperlen auf der Stirn – lege ich den gut massierten Teig in die Schüssel. Ich schrubbe meine Hände sauber, feuchte ein Küchenhandtuch an und lege es auf die Schüssel. Jetzt habe ich Zeit, bis der Teig doppelt so groß geworden ist. Ich kann sie gebrauchen: Meine Hände bekommen einen großen Klecks Allzweckcreme verpasst, die ich ausgiebig einreibe. Auf dem Sofa sitzend. Ich muss mich ausruhen.
    Die beste Freundin ruft an. Sie will wissen, wie das Selbermachen bisher läuft. Vorgestern hatte sie mir einen Vogel gezeigt, als ich ihr ankündigte, in diesem Jahr alles selbst zu machen. »Du hast zu viel Sekt getrunken!«, hatte sie geantwortet. Sie gehört eher zur skeptischen Sorte Mensch, was manchmal ganz gesund für mich ist, weil ich dazu neige,mich enthusiastisch in die Umsetzung unrealistischster Pläne zu stürzen, ohne einen Meter weit in die Zukunft zu schauen.
    »Es läuft gut, denke ich«, sage ich der besten Freundin. »Gerade backe ich ein Brot.«
    »Na ja, ein Brot. Das kann ich auch. Aber du musst hundert Brote backen in diesem Jahr, das ist dir schon klar?«
    »Darum geht’s ja. Ich will sehen, ob ich es hinkriege, hundert Brote in diesem Jahr zu backen. Ich will sehen, wie das ist und was es mit mir macht.«
    Sie lacht. »Was soll es denn bitte schön mit dir machen?«
    »Vielleicht mein Leben verändern.«
    Am anderen Ende der Leitung ist es still. Leben verändern, das klingt pathetisch, ich weiß, aber ich bin mir sicher, dass es mein Leben verändern wird. Ich weiß nur noch nicht, ob zum Guten oder zum Schlechten.
    »Ich bin gespannt«, sagt die beste Freundin. »Du wirst das schon hinkriegen.« Das höre ich gern. Ich werde ein paar Verbündete gebrauchen können in den kommenden zwölf Monaten.
    Die beste Freundin und ich quatschen noch ein bisschen, dann strecke ich mich auf dem Sofa aus und lese die Wochenzeitung. Als ich keine Lust mehr aufs Lesen habe, schaue ich vorsichtig in meine Teigschüssel. Zweieinhalb Stunden liegt der Brotteig jetzt schon da, aber verdoppelt hat er sich noch nicht. Eine halbe Stunde gebe ich ihm noch. In unserer Küche ist es etwas kühl, vermutlich lässt sich der Teig deshalb so viel Zeit.
    Als ich ihn dann rausnehme, soll ich ihn zwei Mal zusammenfalten. Das soll einen schönen Laib ergeben, bei dem die »Nähte«, also die Ritzen vom Teigfalten auf der unteren Seite, versteckt werden. Schwierig, wenn er gleich beim Herausnehmen aus der Schüssel überall Nähte und Falten kriegt und aussieht wie ein ungemachtes Bett. Vorsichtlich lege ichihn ab, fette ein Backblech ein, nehme den Laib wieder in die Hand, ziehe die obere Haut noch ein bisschen glatt und lege ihn auf das Blech. Mit den Fingern versuche ich, die Dellen platt zu drücken. Ich schaue im Rezept nach, was jetzt kommt, und da steht – wenig überraschend –, ich solle den Teig erneut liegen lassen, bis er doppelt so groß ist. Vielleicht ziehen sich so noch die schlimmsten Falten und Beulen glatt. Funktioniert ja beim Menschen auch: Wer 30 Kilo zunimmt, hat keine Falten mehr.
    Ich setze mich mit meiner Liste vom Vortag an den Küchentisch und lese sie
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