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Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund

Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund

Titel: Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund
Autoren: Marco von Muenchhausen
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funktioniert.
    Je weiter man historisch zurückgeht – und hier liegt der Grund dafür, dass die Moral insgesamt in Misskredit geraten ist und der Schweinehund sie verabscheut –, desto enger verknüpft sie sich mit dem Mythos oder der Religion. Das heißt: Sie koppelt sich vom historischen Kontext ab, in dem sie entstanden ist, und beansprucht gleichzeitig eine unantastbare Gültigkeit. Sie beruft sich auf die Macht der Tradition und lässt kaum noch eine Diskussion darüber zu, ob die gewählten Maßstäbe vernünftig sind oder nicht.
    Diese Diskussion übernimmt die Ethik: Sie setzt der traditionellen Moral ein bewusst entworfenes, neues Wertesystem entgegen. So ist die griechische Ethik genau in dem Augenblick entstanden, |20| als die alten Götter- und Heldengeschichten keine Antwort mehr auf die Fragen nach dem Ziel und Sinn des menschlichen Lebens geben konnten.
    Aristoteles, Sokrates und Platon mögen die Vermutung verzeihen, dass ihre inneren Schweinehunde es wesentlich leichter hatten als deren Nachfahren im christlichen Abendland. Im alten Griechenland regierte kein göttlicher Gesetzgeber, der den Menschen unter Androhung härtester Strafen befahl, was sie tun und lassen sollen. Im Mittelpunkt stand vielmehr der einzelne Mensch, erläutert Kurt Bayertz. »Alle Überlegungen werden vom Standpunkt eines Individuums aus gestellt, das sich fragt, wie es sein Leben planen und gestalten soll, damit es ihm gutgeht.« Und zwar hier und jetzt, und nicht erst im Jenseits.
    Schweinehund contra Moral
    Genau das entspricht der Haltung des inneren Schweinehundes. Er schert sich nicht darum, was die Moral jedermann befiehlt – sondern kümmert sich um die Bedürfnisse seines einmaligen und ganz besonderen Herrchens. Er interessiert sich nicht für allgemeingültige Gesetze, sondern will in jeder Situation neu entscheiden. Er will nicht wie der Moralist einem vorgegebenen Plan folgen, sondern sucht wie der Lebenskönner »nach Rhythmus, Melodie und Stil, um sein Leben zugleich mit innerer Einheit, individualitätsbezeugender Authentizität und zukunftsoffener Spannung zu versehen« – so formuliert es Philosophieprofessor Wolfgang Kersting.
    Wir können uns den inneren Schweinehund also als Taugenichts vorstellen (das Wort »Tugend« leitet sich von »taugen« ab), wenn wir ihn nicht gleich als »Amoralisten« hinstellen wollen. Er weiß zwar, was das »Gute« und »Richtige« ist, setzt aber die egoistischen Interessen seines Herrchens an erste Stelle. Er sieht es schlicht und |21| ergreifend nicht ein, dass sein Mensch sich an Regeln halten soll, die nicht seine sind. Natürlich würde er es nicht wollen, dass sein Mensch dies öffentlich zugibt. Wie alle echten Amoralisten agiert auch der Schweinehund überwiegend im Untergrund. »Der strategische Grund dafür besteht darin, dass er anderenfalls mit Sanktionen rechnen muss, die seine Pläne durchkreuzen. Dies macht ihn zum Trittbrettfahrer und Heuchler. Nichts ist irreführender als das von einigen Schwärmern gezeichnete Bild vom Amoralisten als einem fröhlichen Berserker, der unbekümmert, aber offen seinem eigenen Wohl dient. Von Ausnahmen abgesehen ist die Wirklichkeit des Amoralismus ein schäbiges Versteckspiel«, erläutert Kurt Bayertz.
    Umgekehrt könnte man die Wirklichkeit des Moralismus als Spiel vor Publikum bezeichnen. Dies zumindest legt eine aktuelle Studie nahe, die zeigt, dass Menschen unter Beobachtung mehr zu spenden bereit sind als solche, die anonym spenden.
    Die Anthropologen Terry Burnham (Harvard University) und Brian Hare (Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie) haben gezeigt, welche Rolle der Blick des anderen im Bewusstsein der Menschen spielt. Die Wissenschaftler ließen 96 Freiwillige anonym gegeneinander spielen. Dabei mussten diese entscheiden, wie viel Geld sie spenden wollten. Die Regel: Diejenigen Spieler gewinnen am meisten Geld, die am meisten einzahlen – aber nur dann, wenn die Gegenspieler dies auch tun. Die Versuchspersonen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Spielgruppe agierte vor einem »neutralen« Computer, die andere vor Bildschirmen, auf denen wie zufällig ein Roboterkopf mit menschenähnlichen Gesichtszügen zu sehen war. Das Ergebnis war erstaunlich: Die Spieler gaben unter den Augen des Roboters durchschnittlich 30 Prozent mehr Geld als die Kontrollgruppe. Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass sich die Versuchspersonen beobachtet fühlten – zumindest unbewusst – und auf
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