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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat
Autoren: F Steinhauer
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Nachtigall verstand sofort, was Emile damit erreichen wollte. Man sprach über Olaf Gieselke, nicht mit ihm.
    Er musste den Eindruck gewinnen, niemand interessiere sich noch für ihn oder seine Darstellung der Ereignisse, als wäre es ihm möglich, aufzustehen und zu gehen, ohne dass sich jemand nach ihm umdrehte.
    »Und seine Frau?«, fragte Wiener. »Wir wissen doch, dass er sie umgebracht hat.«
    »Ja. Das wissen wir nicht nur, wir können es auch beweisen!«, stellte Albrecht Skorubski triumphierend klar.
    »Ziemlich brutales Vorgehen. So sollte man doch seine Frau nicht behandeln«, stieß Couvier das Gespräch weiter an.
    »Sie wird ihm eben völlig gleichgültig gewesen sein.«
    »Wie sein Sohn. Als er bemerkte, dass der Junge nie so werden würde, wie er es sich erträumt hatte, wartete er nur auf eine günstige Gelegenheit, um ihn loszuwerden.«
    »Jedenfalls war es ein kluger Plan. Unser Rechtsmediziner hat aber nachgewiesen, dass er nie und nimmer wirklich Schaden hätte nehmen können. Er hat so wenig Beruhigungsmittel genommen, dass es gerade so zu einem gemütlichen Ausschlafen gereicht hat«, griff Wiener einen anderen Aspekt auf.
    So warfen sie sich die Bälle zu, stellten Überlegungen an, die Planungen Gieselkes für seine Zukunft betreffend, spekulierten über seine Chancen, eine neue Frau zu finden.
    Plötzlich fuhr Gieselkes Stimme durch den Raum, scharf wie ein Schwert, kalt wie Stickstoff.
    »Wir Gieselkes haben unsere Probleme immer selbst gelöst! Als ich davon ausgehen musste, Wolfgang sei der Mörder meines Enkels, habe ich getan, was ein guter Großvater tun muss. Doch dann erkannte ich meinen Fehler. Um Ihren Spekulationen gleich zuvorzukommen, sage ich: Es tut mir dennoch nicht leid um ihn. Über kurz oder lang wäre er ohnehin zum Problem geworden. Irma hat unseren Sohn verweichlicht. Wollte von ihm geliebt werden! Ha! Angeblich fehlte ihr das von meiner Seite. Und was kam dabei heraus? Ein Feigling! Eine Heulsuse, ein verdammtes Hätschelkind. Und nun, nach dem Tod von Maurice, liebte er sie nicht mehr. Schlimmer als der Verlust des Enkels trafen sie die falschen Anschuldigungen von Johannes. Manche Probleme erfordern bei ihrer Lösung ein planvolles Vorgehen. Irma sollte vor Johannes sterben, damit sie ihn nicht betrauern musste.«
    Peter Nachtigall hielt den Atem an. Er wagte gar nicht, auf die Kontrolllampe des Aufnahmegerätes zu sehen. Hoffentlich hatten sie alles drauf! Ein umfassendes Geständnis.
    Aus dieser Schlinge würde Olaf Gieselke seinen Kopf nur schwer wieder ziehen können.

74
    Eine Stunde später war Nachtigall allein in der Stille seines Büros und grübelte. Olaf Gieselke saß in U-Haft, sie würden nun Zeit genug haben, die Beweise akribisch zusammenzutragen. Friederike Mauls Aussage wog schwer. Sie war im Fall Maurice geständig, wollte wohl auch dafür bestraft werden. Vielleicht, weil sie inzwischen erkannt hatte, dass ihre Gier der Auslöser der Katastrophe war.
    Allerdings gab er sich keinen Illusionen hin. Gieselke würde selbstverständlich nach einer Nacht in der Isolation der Zelle einen Anwalt einschalten. Von dem bekäme er sicher den Rat, zu widerrufen und künftig zu schweigen. Wenigstens konnte der alte Herr nicht behaupten, er sei von ihnen unter Druck gesetzt worden.
    Nachtigall atmete tief durch, stemmte sich aus seinem Stuhl hoch, schlug die Akte zu und legte sie in eine seiner Schreibtischschubladen. Ihm war kalt. Nicht von außen, stellte er besorgt fest, es fühlte sich eher an, als umklammere ihn diese Kälte von innen. Als habe er eine erhebliche Menge Eiswürfel geschluckt.
    Der Fall setzte ihm ziemlich zu.
    Als er in Michaels Alter war, hatte er noch jeden gelösten Fall gefeiert. Heute ging er immer häufiger erschüttert nach Hause. Gab es denn keine Mörder mehr, die ihre Tat hinterher bitterlich bereuten? Die noch vom Tatort aus die Polizei verständigten, schockiert und entsetzt über das, was geschehen war? Oder kam es ihm nur so vor, als seien die modernen Mörder kälter und unerbittlicher?
    Sein Team war längst gegangen. Albrecht Skorubski brachte sicher gerade seine Frau zum Zug. Und Michael? Würde wohl seiner Marnie mit leuchtenden Augen vom Abschluss des Falles berichten.
    Heute Morgen, bei der Obduktion von Johannes Gieselke, war es Nachtigall schwergefallen, sich zu konzentrieren. Die ganze Zeit über starrte er nur fassungslos auf den jungen Mann, der auf so schreckliche Weise sterben musste. Wäre er nur früher auf die
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