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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht
Autoren: Doris Knecht
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und nahm erst beim achten oder neunten Klingeln ab und sagte, sie schickt mir sofort einen Rettungswagen. Das Blut floss weiter, ich erwischte meinen Bademantel und zog ihn mir über meine Bluse und meinen nackten Hintern, ich bin prüde, ich will nicht, dass fremde Männer meinen Arsch sehen. Ich klemmte mir ein Badetuch zwischen die Beine und kroch ins Wohnzimmer und legte mich auf den Boden, ich wollte mein Sofa nicht ruinieren, ich wollte nicht für immer die Spuren dieses Tages, dieser Katastrophe auf meinem Sofa haben. Es war kein Handtuch, es war ein richtig großes, dickes Badetuch, grün-weiß gestreift, ich habe es mir vor Jahren an der Algarve gekauft, wo Juli und ich mit unseren ersten festen Freunden Urlaub machten, Juli kaufte dasselbe, bloß mit blauen Streifen. Ich weiß nicht, ob sie es auch noch hat. Ich habe danach überlegt, ob ich es wegwerfen soll, aber ich hab es gewaschen, weil ich mich gern an diesen Urlaub erinnere. Das Blut ging ganz raus, aber es erinnert mich jetzt trotzdem daran, ich glaube, ich werde es doch wegwerfen. Dann läutete der Notarzt, ich hievte mich hoch und machte auf und setzte mich neben die offene Tür. Die Sanitäter sagten nicht viel, sie maßen nur meinen Blutdruck und fragten, wie es mir geht. Ruth hatte offensichtlich Druck gemacht, sie waren sehr lieb. Sie setzten mich in so einen Sessel mit vier Griffen und trugen mich die Treppe hinunter und in den Krankenwagen. Dann fuhren wir mit Blaulicht und Tatütata los, das fand ich ein bisschen übertrieben, merkwürdig und etwas beängstigend, schrieb es aber Ruth zu. Ich dachte in dem Moment gar nicht groß darüber nach, was da passierte, ich wusste nur, dass etwas vorbei war, aber ich fühlte mich auch sicher und aufgehoben, in diesem Rettungswagen. Als mich die Sanitäter im Krankenhaus abgaben, war das Badetuch praktisch vollgesogen mit Blut. Sie schoben mich durch Gänge in die gynäkologische Ambulanz. Ruth war da, und ein anderer Arzt. Ich kam in so eine Kabine, Ruth half mir aus dem Bademantel, zog mir vorsichtig das Handtuch zwischen den Beinen heraus und führte mich zu einer Liege. Ich blutete den Kabinenboden voll und dann praktisch den halben Raum. Erst als ich das viele Blut auf den weißen Fliesen sah, und wie es aus mir heraus und über diese Fliesen floss, fing ich an zu weinen, obwohl ich schon längst wusste, dass alles vorbei, dass das Kind verloren war. Ruth redete leise auf mich ein und hielt meine Hand. Sie und der Arzt schauten in mich hinein, sie machten einen Ultraschall, der Arzt sagte, es tue ihm leid, da sei kein Herzschlag mehr. Ruth umarmte mich, so gut das irgendwie ging, ich da auf dieser Liege mit den gespreizten Beinen, zwischen denen es heraustropfte. Ich sah, dass sie fast weinte. Der Arzt wollte wissen, wann ich zuletzt was gegessen und getrunken hatte, aber ich war so durcheinander, ich glaube, ich brauchte Minuten, um mich an den Kaffee zu erinnern, den ich mir um halb zehn herum gemacht hatte. Der Arzt fragte, ob es nur der Kaffee gewesen sei, ob ich nichts gegessen habe. Nein, ich hatte noch nichts gegessen heute. Ich esse nie in der Früh und seit mir morgens jetzt immer ein bisschen schlecht ist, schon gar nicht, obwohl Ruth immer gesagt hat, iss was, iss ein paar ... Schlecht
war
, in der Früh immer schlecht
war
. Mir ist jetzt nicht mehr schlecht in der Früh, obwohl mir danach tatsächlich noch zwei Tage übel war, bis mein Organismus endlich begriffen hatte, dass er keine Schwangerschaftshormone mehr zu produzieren braucht. Ruth wischte mich ab und tröstete mich, während der Arzt telefonierte. Ich dachte nur daran, was ich jetzt alles nicht brauchte, keinen Kinderwagen, kein Kinderbett, keine größere Wohnung. Kein Babyphon und keinen Wickeltisch. Keinen Kindsvater. Ich dachte daran, wie traurig Juli sein würde. Ich versuchte, nicht an John zu denken. Der Arzt war ziemlich klein, sein Haar war zu schwarz und er hatte so ein merkwürdiges Clark-Gable-Bärtchen, und als er fertig telefoniert hatte, erklärte er mir, was jetzt geschehen würde. Ruth packte das Badetuch und den Bademantel in eine Tüte. Sie legte ein Tuch über meinen Bauch und meine Beine. Ein Pfleger kam, mit einem Rollbett. Er legte so ein dickes Vlies auf das Bett, mit einer Plastikfolie auf der Unterseite. Der Arzt und Ruth halfen mir, in das Bett zu klettern, Ruth deckte mich mit einem weißen Leintuch zu. Der Pfleger fuhr mich durch die Gänge und in einen Aufzug und in der anderen Etage weiter
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