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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht
Autoren: Doris Knecht
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und Robert DeNiro sich in einer Buchhandlung in Los Angeles kennenlernen, und dann trinken sie was zusammen und sie erzählt ihm, dass sie Grafikerin ist und C D -Cover designt, und wie sie lebt und dass sie allein in einem kleinen Haus wohnt und arbeitet. Und er fragt sie, ob sie einsam ist. Und sie sagt: Ja, sehr einsam. Mit diesem tapferen Lächeln. Genau so fühlte ich mich. Sehr einsam. Und sehr tapfer dabei. Ich versuchte auch so zu lächeln, aber es ging nicht. Stattdessen starrte ich blöde vor mich hin, auf mein Essen und auf sein Essen, von dem noch etwas übrig war. Das Surimi-Sushi lag noch auf seinem Teller, dieses rosafarbene, gefärbte Zeug, der Fleischkäse unter den Fischen, der Fake-Fisch, wahrscheinlich verschmäht ein Porschefahrer sowas Unechtes, Unedles aus Prinzip. Ich hätte es gern gegessen, ich mag das Zeug, und vermutlich hätte ich es sogar essen dürfen, weil es ja kein richtiger roher Fisch ist. Aber ich aß langsam mein Terijaki-Huhn auf und trank meinen Tee und blieb noch eine Minute sitzen und ging dann. Und sagte mir, dass nicht ich gehe, sondern wir, dass ich nicht allein bin, sondern zu zweit. Aber es funktionierte irgendwie nicht. Ich war allein und überlegte, was ich fortan alles allein tun und allein besorgen und allein aussuchen und allein entscheiden würde müssen. Allein entscheiden, das vor allem. Es war alles meine Entscheidung ab jetzt, zum Beispiel, wie das Kind heißen würde. Es würde immerhin nicht Gruber heißen, so viel war jetzt sicher.

Und dann, nach all dem Kotzen und Würgen, und nachdem Gruber tagelang mit einer Eddingmarkierung auf dem Bauch herumgelaufen und sein Körper wieder und wieder von einer riesigen, todbringend aussehenden Maschine mit Lichtstrahlen zerteilt worden war, nach all dem Geglatze und Geglänze, nach der Angst und der Hoffnung und dem Rückfall und der Depression und der Angst und der Angst und der Angst: Da war Gruber zur Untersuchung gegangen, und es zeigte sich, dass der Tumor endlich reagiert hatte. Endlich so reagiert hatte, wie es sein Arzt vom Tumor erwartete, nämlich kleiner geworden und schließlich ganz verschwunden war, wie es sich gehörte und wie Gruber es erhofft hatte. Trotz der Coolness, mit der er auf seinem Patientenstuhl gesessen hatte, in so einer Haut-mich-bestimmt-nicht-um-Haltung, egal was kommt, haut mich, Gruber, nicht um. Als hätte er sich vorübergehend in ein gruberförmiges Stück Nussbaumholz verwandelt, sehr hart, ein unkaputtbarer Holzklotz in einer Hedi-Slimane-Anzughose mit steingrauem Hemd und den frisch polierten Chelsea-Boots und einer karierten britischen Schirmmütze auf dem Holzkopf, dem glänzenden, kahlen Holzkopf, ein Trumm Holz mit Holzhänden, die aus aufgekrempelten Hemdsärmel lugten und lässig auf die Armlehnen des Patientensessels geschraubt waren. Über dem Kragen ein geschnitztes Lächeln, stabile, unzerstörbare Gelassenheit, egal was jetzt gleich auf Gruber treffen und, wenn nötig, an Gruber abprallen würde. Aber der Tumor hatte reagiert und war so verschwunden, wie der Arzt es vorgesehen und Gruber in Aussicht gestellt hatte. Und das Holzige war aus Gruber gewichen, der Holzbrocken hatte Farben angenommen und Elastizität und sich in Gruber zurückverwandelt. Und innerhalb dieses nun wieder weichen, beweglichen Gruber verrutschte etwas. Rutschte in Position. Rastete ein. War wieder dort, wo es hingehörte, und Gruber, nachdem die Lächelstarre aus seinem Antlitz geflohen und der normalen Gruberschen Mimik Platz gemacht hatte, war wieder Gruber, oder würde zumindest wieder Gruber werden, oder wenigstens so etwas Ähnliches.

In mir löste sich etwas . Etwas ließ einfach irgendwie los. Es war kein großer Schmerz, eigentlich gar kein Schmerz, es war nur ... Ich kann es nicht beschreiben. Es war, als würde Luft aus mir weichen. Ich fühlte eine schlagartige, brutale, gewaltige Leere, als würde sich ein schwarzes Loch in mir auftun. Etwas rutschte weg. Und dann kam das Blut. Nicht so ein bisschen Blut, ungeheuer viel Blut. Meine Jeans waren plötzlich voller Blut. Ich rannte ins Bad, aufs Klo und das Blut schoss einfach so aus mir heraus und in die Schüssel. Das Blut, das Ausmaß des Blutes, es gab keinen Zweifel, was das bedeutete, aber ich dachte erst mal nur an das Blut und wie viel Blut man verlieren konnte, bevor man ohnmächtig wird. Ich strampelte die Jeans runter und knüllte mir eine halbe Rolle Klopapier zwischen die Beine und rief Ruth an. Ruth war im Krankenhaus
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