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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht
Autoren: Doris Knecht
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einfach wegging, hatte ich das Gefühl, als holte auch mich ein Fluss, ein roter Fluss, als hörte ich etwas, das immer unbemerkt neben und unter mir dahingeflossen war, plötzlich murmeln und flüstern, gurgeln, rauschen, anschwellen und wild werden, und es war, als schöbe es sich plötzlich aus seinem Bett und über sein Ufer und in mein Haus und nehme mich einfach mit. Und ich konnte nichts dagegen tun und es trieb mich einfach ganz allein dahin in riesigem roten Gerausche und Gebrüll, in fremder, bedrohlicher, kalter Materie. Und nirgends eine Weide, die ins Wasser hing. Es würde mich vielleicht irgendwann wieder freigeben, wieder ausspucken, und irgendwo am Ufer des roten Flusses würde ich angeschwemmt werden, aber ich wusste nicht wann, und ich wusste nicht wo und nicht wie und ob überhaupt.
    Und mir wurde erst da bewusst, dass ich mir halt doch das große, kitschige Happy End gewünscht hatte. Dummes kleines Mädchen. Also, ich wollte jetzt nicht, dass John dort mit dem kleinen roten Schachterl und einem glücklichen Idiotengrinsen auf mich wartet mit Kniefall und dem ganzen Märchendingeling, obwohl man so einen fantasielosen Pretty-Woman-Schmonz von einem Porschefahrer wahrscheinlich durchaus erwarten konnte. Aber ich hatte mir wohl doch sein Commitment erhofft, obwohl ich mir natürlich immer vorgesagt habe, dass es egal ist, wie er reagiert, dass es keine große Bedeutung hat, was er jetzt tut. Weil ich erstens das Kind hatte, so oder so hatte, und weil es zweitens mit ihm irgendwann gut werden würde: Wieder dieses bescheuerte Bestimmungsding, klar, das lässt sich nicht belegen, aber ich weiß es halt. Bei manchen Sachen weiß ich es einfach: Als ich mir in Berlin die Wohnung suchen musste, und jeden Tag die Zeitungsinserate studierte und mir ein mieses Loch nach dem anderen anschaute und dann die Annonce von meiner jetzigen Wohnung sah, da wusste ich auch gleich: Das ist sie, ich krieg sie und sie ist perfekt, und genau so war es. Und mit John ist das auch so, dass ich es weiß; dass ich weiß, der ist es, egal, ob er meinem Typ entspricht und was für ein Auto er fährt, egal, ob er ein Trottel ist oder ein Feigling oder schon halbtot, das ist alles wie: nicht verhandelbar. Ist einfach so. War von Anfang an so, diese Sache mit dem Brief vom Krankenhaus, alles, ich bin mir jetzt ganz sicher, dass das einfach so sein musste. Das Problem ist nur, dass er das halt nicht so wusste. Oder nicht so sehen konnte. Eben ein Kerl. Aber ich war und bin mir sicher, dass er irgendwann dort ankommt, wo ich schon bin.
    Nur dauert das halt oft, und manchmal ziemlich lang. Und manchmal zieht es sich derart, dass ich nicht die Zeit zum Warten habe, und jetzt fürchte ich, dass die Distanz zwischen mir und John dann zu groß wird und schließlich unüberbrückbar. Und ich hatte eben halt doch gehofft, er würde schneller dahin kommen, wo ich bin, im Idealfall sofort, auch weil ich mir für ihn wünschte, dass er nichts verpasst und nichts versäumt. Und dann war’s halt nicht so, und ich saß da, allein. War allein mit dem Kind, und mit meinem Leben und mit dem Leben von dem Kind und würde es erst mal bleiben. Ich saß da und sah ihm nach, wie er ging, sah seinen nackten Schädel mit der Kappe, wie er aus dem Innenhof ins Restaurant ging und an der Bar bezahlte, ich sah ihm nach, und er drehte sich nicht noch einmal um. Und dann starrte ich ein bisschen auf meine Knie. Und schielte rundherum, ob jemand bemerkt hatte, dass ich eben verlassen worden war, also faktisch, ob alle schon sehen konnten, dass ich jetzt ganz allein bin. Und ob man mir die Einsamkeit wohl schon anmerkt. Weil, ich war schockiert, wie allein ich mich fühlte und wie einsam. Ja, schlagartig, einsam. Dabei war ich immer allein gewesen, aber eigentlich selten einsam. Ich war gern allein gewesen. Autonom, eigenständig, unabhängig. Es hatte sich immer gut und richtig angefühlt. Ich war eigentlich nicht so sehr darauf aus gewesen, nicht mehr allein zu sein, es war nicht wie bei Ruth, die keinesfalls allein sein will und richtig darum kämpft, die das Ende des Alleinseins schmerzhaft herbeisehnt. War bei mir nicht so gewesen. Ich hatte Männer immer gern gehabt, aber wenn möglich, nicht ständig um mich. Jetzt fühlte sich das Alleinsein mit einem Mal völlig anders an. Die Hormone vermutlich, das war mir auch bewusst, aber ich fand es dennoch dramatisch. Es gibt in «Heat», den hab ich ungefähr zwölf Mal gesehen, diese Stelle, wo Amy Brenneman
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