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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger
Autoren: Nina Behrmann
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Frage stellen.«
    Elandros sah Feng ernst an.
    Feng atmete tief ein und fuhr sich wieder durch die Haare. »Wie viel… wie viel davon…«
    »Wie viel davon ging von mir aus?« In Elandros Miene rührte sich kein Muskel. »Wie viel davon war ich selbst?«
    Feng senkte den Kopf.
    »Ich habe dich sehr enttäuscht, nicht wahr?«, sagte Elandros sanft. Feng hob den Kopf. Elandros fuhr sich nachdenklich über die Schläfe. »Es ist dein gutes Recht, nach Entschuldigungen zu suchen, die mein Verhalten erklären. Bis zu einem bestimmten Punkt wirst du sie auch finden.«
    »Ich will es von dir hören!«
    Elandros schüttelte den Kopf. »Du würdest mir alles glauben. Jedes Wort, das ich sage, nur damit dein Bild von mir wieder rein ist.« Elandros legte leicht den Kopf schief, als würde er einer fremden Stimme lauschen. »Dieser Weg ist mir zu billig. Wer oder was ich bin, das ist meine Sache. Wen du aus mir machen willst – das ist deine.«
    Feng stand auf. Er zitterte leicht. Irgendwo tief in sich wusste er, dass Elandros Recht hatte. Aber im Augenblick wehrte sich alles in ihm dagegen, diese Erkenntnis zu akzeptieren.
    Feng war jung. Er würde lernen. Ohne ein Wort des Grußes drehte er sich um und verließ das Bordell.

    Kay setzte sich auf. Der Himmel vor dem Fenster war grau; dahinter konnte er aber die ersten Anzeichen des Morgens sehen. Adergraue Flecken. Er lächelte schwach. Die Nacht war vorbei. Zum Glück.
    Nach der Sache im Keller des Bordells hatte er sich für lange Zeit zurückgezogen. Er war zum Hain seiner Familie gegangen und hatte versucht, die aufgebrachten Geister und auch seine eigenen Gedanken zu beruhigen. Es war leichter gegangen, als erwartet. Immerhin hatte er auch Hilfe dabei gehabt.
    Kay seufzte und schwang seine langen Beine über die Bettkante. Das Zimmer war kalt. Er beachtete es nicht, sondern trat ans Fenster.
    Vor dem Haus lag der Stadtpark. Der Seelie-Sidhe sah über die kahlen Baumwipfel und den kümmerlichen Rasen. Im Sommer waren die Wege und Grasflächen belegt von Besuchern. Aber zu dieser frühen Stunde und im Winter waren dort nur Obdachlose und die letzten verzweifelten Stricher zu finden.
    Kay schloss die Augen und lehnte seine Stirn an das kühle Glas. In seinem Kopf hallte sein Herzschlag wieder. Und nicht nur seiner.
    Seine Hand berührte den winzigen Anhänger um seinen Hals. Feng hatte seinen wiederbekommen, Kay noch einen weiteren angefertigt. Eher aus sentimentalen Gründen, wie er sich selbst eingestehen musste. Er hatte ihn im Hain gefertigt und nicht nur eine Strähne seines eigenen Haares eingeflochten. In der Phiole um Felines Hals und auch in seiner eigenen, war neben dem Gold seines Haares, eine braune Strähne zu finden. Braun wie Ariens Haar.
    Er lächelte, als er sich daran erinnerte, wie er die Phiole an das jüngste Mitglied seines Clans gegeben hatte:
    »Was soll ich damit?« Feline sah ihn skeptisch an. Selbst, nachdem sie von den Toten wieder auferstanden war, hatte sie sich diesen leicht zynischen Unterton in der Stimme bewahrt, wenn Kay sie mit etwas aus der Anderswelt konfrontierte
.
    »Ein Versöhnungsgeschenk«, antwortete er
.
    Feline untersuchte die Phiole genau. »Du hast Feng auch so eine geschenkt. Als Überwachung.«
    Kay schüttelte den Kopf. »Als Schutz. Aber das hier ist dein Anhänger, nicht seiner.«
    »Was macht den Unterschied aus?«
    Kay nahm ihr die Kette aus der Hand und trat hinter sie. Den Tarnzauber beherrschte sie mittlerweile perfekt – das rote Haar, das er anhob, war zwar schön, aber es machte nicht mehr den Eindruck, aus einer anderen Welt zu stammen. Umsichtig legte er ihr das Schmuckstück an und trat dann wieder vor sie. Feline sah an sich herunter
.
    »Es ist mein Geschenk als Seelie-Sidhe an dich. An… eine Tochter meines Clans und die Tochter einer Freundin.«
    Feline umfasste den winzigen Anhänger. Sie hatte die brauen Strähne darin bemerkt. In den blauen Augen schimmerte es verdächtig, aber sie blinzelte, ehe die Tränen einen Weg fanden
.
    Das Glas des Fensters wurde zu kalt auf seiner Haut. Er hob den Kopf und bemerkte neben der Reflexion seines Gesichts in der Fensterscheibe ein weiteres. Es lächelte.
    Kay drehte sich um und strich Agnes das wirre Haar aus der Stirn. »Wieso bist du aufgestanden?«, murmelte sie und sah an ihm vorbei aus dem Fenster.
    »Ich konnte einfach nicht mehr schlafen.«
    Sie strich mit flachen Händen über seine nackte Brust und verharrte an dem Anhänger. Ihr Blick wurde
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