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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger
Autoren: Nina Behrmann
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Tragisch, aber leider nicht zu ändern.«
    »Ja.« Ich trat neben Elandros. Samhiel sah auf und mir in die Augen. Sie waren so dunkel, wie in der Nacht, in der er mich verändert hatte. Ich streckte die Hand aus und berührte seine Wange. Er tat nichts, um meiner Berührung entgegen zu kommen. Als er mich im Arm gehalten hatte, war da Trost gewesen. Selbst die flüchtigste Berührung hatte alle meine Sinne aufgeregt flattern lassen. Aber jetzt spürte ich nichts. Samhiel enthielt mir seine Gaben vor.
    »Tragisch«, murmelte ich und zog meine Hand zurück.
    »Sag mir, was kann ich dir bieten, damit du mir verrätst, wie ich das Wort bekomme?«
    Ich lächelte schmal. »Das ist sehr einfach«, erwiderte ich. »Ich muss es dir geben.«
    Elandros kratzte sich am Kinn. »Mehr nicht? Du gibst es mir?«
    »Ich gebe es dir«, nahm ich seinen Satz auf, »wenn du mir etwas bietest, was ich für eine würdige Bezahlung halte.«
    Elandros umfasste meine Hüfte und zog mich zu sich. Ich musste mich beherrschen, um mich nicht freizukämpfen. »Es interessiert dich nicht, was dann geschieht? Weißt du eigentlich, was du da hast?«
    Jetzt war mein Lächeln ehrlich und ich ernstlich amüsiert. Sieh an, selbst Dämonen schienen einem ernsten Mitteilungsbedürfnis anheim zu fallen. In einer Welt, in der Hinz und Kunz bloggte, Videos hochlud oder sich in irgendwelchen Popsternchen-Shows präsentierte, wollte der kleine Dämon aus der Hölle auch mal etwas zu sagen haben. Der Vergleich ließ mich sogar leise lachen.
    Elandros ließ seinen Arm sinken. »Was an dieser Frage war nun komisch?« Noch war er charmant, aber darunter hörte ich wieder das Gurgeln; diese alte, verfaulende Stimme. Das war gut; es erinnerte mich daran, mit wem ich es zu tun hatte.
    »Nichts. Ich musste nur an etwas denken.«
    »Und was?«, fragte er lauernd.
    »An Samhiel. Er hat mich einmal etwas Ähnliches gefragt.«
    »Und was hast du ihm darauf geantwortet?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht mehr«, antwortete ich.
    Der Dämon nahm eine meiner langen Haarsträhnen zwischen die Finger. Die Kälte, die ich zuvor bei seinem Griff um meinen Arm verspürt hatte, erschien nun in meinem Kopf und grub ihre Klauen in meine Gedanken. Ich wimmerte unterdrückt. »Und was würdest du mir jetzt antworten?«
    »Dass ich es nicht weiß.« Ich schüttelte den Kopf. »Wie ich bereits sagte, ich bin nicht mehr als irgendeine Vase oder ein Tresor. Ich weiß nicht, was ich da habe.«
    »Zu schade.« Elandros seufzte. »Dieses Wort… dieses winzige, nichtige Wort wird euer aller Welt umstürzen. Ich werde die Dinge wieder in Ordnung bringen. Kein Engel wird fallen. Kein Engel muss mehr SEINEN Thron anfechten, weil ER nicht mehr existiert.« Er streichelte zärtlich über mein Haar. Die Kälte kroch mir in die Knochen und ich begann zu zittern. »Keine Hölle mehr für euch, wie klingt das? Keine Angst vor der Sünde – alles, was ihr dann noch tun müsst, ist dienen.«
    »Wem?«
    »Uns. Seinen ersten, liebsten Geschöpfen.« Elandros Stimme war zu einem liebevollen Flüstern verklungen. Seine Hand ruhte auf meiner Stirn und vor meinem inneren Auge sah ich seine Träume. Von Herrschern, Engeln, so schön, dass es eine Sünde war sie anzusehen. Von einer Welt, die sie nach ihrem Willen formten und einer Menschheit, die weder wussten was Hoffnung noch was Erlösung war. In der Gott und Teufel fehlten, ersetzt wurden durch Engel, die die ganze Welt versklavten.
    »Du kannst dir einen Platz an unserer Seite erkaufen«, schnurrte Elandros weiter. »Für dich und deine Mutter.«
    Ich schloss die Augen. »Das ist eine Lüge. Was tot ist…«
    »Nicht, wenn ich die Macht nutzen kann. Ich kann dir ein Leben geben, genauso, wie du es dir gewünscht hast.«
    Ich sah wieder auf und mein Blick fiel auf Samhiel. »Er wäre dein Sklave«, sprach Elandros weiter auf mich ein. »Gib es mir und ich verwehre dir nichts.«
    Meine Mutter. Samhiel. Alles, was ich mir wünschte. Der Gedanke war verlockender als ich zugeben mochte.
    »Ich könnte mich natürlich auch einfach umbringen«, sagte ich im Plauderton und befreite mich aus der eisigen Umarmung. Elandros starrte mich an.
    Ah, also dachtest du, du hast mich schon?, schoss es mir durch den Kopf. Oh nein, so einfach mache ich es dir nicht.
    »Ein kleiner Selbstmord? Dann wäre das Wort… ja, wo eigentlich? Wieder im Himmel?« Ich sprach in gezwungen-fröhlichem Ton, aber es war mir ernst damit.
    »Bei IHM«, sagte Samhiel. Das
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