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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger
Autoren: Nina Behrmann
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nachdenklich. Kay bemerkte es und berührte sanft das Holzkreuz, das zwischen Agnes weichen Brüsten ruhte. Sie hob den Blick und lächelte. Dann fasste sie seine Hand und zog ihn zurück zum Bett.

    Ich schloss die Tür hinter mir ab. Es war fast morgens, aber ich war nicht einmal im Ansatz müde. Seit meiner Reinkarnation hatte sich einiges geändert. Hatte ich bis vor drei Wochen meine Wohnung kaum noch verlassen, war es jetzt selten, dass ich mich darin aufhielt. »Ich bin wieder zu Hause, Schatz!«
    Mir antwortete ein verwirrtes Schnauben und ich grinste breit. Ich liebte es, meinen Ficus aus dem Schlaf zu reißen.
    »Wo warst du?«, nuschelte er, als ich mich mit einer offenen Flasche Bordeaux und einem bauchigen Glas ins Wohnzimmer setzte. »Aus«, informierte ich ihn brav. »Mit Freunden.«
    Der Ficus gab einen undefinierbaren Laut von sich. »Ich nehme Alkohol wahr.«
    »Willst du auch was?«, bot ich jovial an.
    »Igitt, nein danke.«
    Ich lächelte und genehmigte mir selbst einen großen Schluck des edlen Tropfens. Es tat so gut wieder zu fühlen, dass ich lebte! Heute war es eine Cocktailbar gewesen, morgen ging es zum Tanzen; ich traf mich mit Freunden und nahm exzessiv alles in mich auf.
    Kein Wunder.
    Vor zwei Wochen hatte ich viel aufs Spiel gesetzt. Aber ich hatte darauf vertraut, dass mein Gefühl mich nicht trog. Ich hatte gehofft, dass Uriel Recht hatte, wenn er mich menschlich nannte. Sowohl der Fey als auch der Vampir in mir waren unsterblich. Alles, was in mir sterben konnte, war die Frau Feline Alana Rot und sie wurde von Samhiel getötet.
    Die übrigen Engel waren auf den Schwindel reingefallen. Nachdem ich gestorben war und das Wort daraufhin zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgekehrt war, war es vorbei gewesen. Für mich zumindest.
    Ich stellte das Glas auf den Tisch und nahm mir eines der Sofakissen. Für Samhiel war es nicht vorbei. Wenn eine Chance bestanden hätte, dass er trotz seines Verrats hätte zurückkehren können, hatte er die mit dem Mord an mir endgültig verspielt. Ich hatte bei dieser Geschichte nichts gewonnen, außer vielleicht ein paar Karmapunkten. Samhiel dagegen hatte alles verloren.
    Ich stürzte den Rest des Weines herunter. Gedanken an meine Mutter schmerzten. Gedanken an Samhiel erfüllten mich mit Reue und der Frage, ob ich ihn nicht doch hätte retten können.
    Ich schenkte mir weiteren Wein ein. Wem machte ich etwas vor? Ich hatte nicht einmal meine Mutter retten können. Nachdenklich drehte ich den dünnen Stiel meines Weinglases zwischen den Fingern. Sie war dort, wo sie glücklich sein konnte, hatte Kay mir gesagt, nachdem sie mich aus diesem Keller herausgeholt hatten. Sie hatten mich für tot gehalten. Für eine Weile war ich das auch gewesen, bis ich auf der Liege in Elandros Büro ein Klopfen hörte. Es hatte meinen Tod gestört. Mein Herz hatte mich gezwungen, ins Leben zurückzukehren.
    Soweit ich es verstanden hatte, war in diesem modrigen Zimmer nichts anderes mehr gewesen, außer dem ohnmächtigem Elandros und mir. Kein Dämon, keine Engel. Nichts.
    Ich nippte an meinem Glas und kaute dann an meiner Unterlippe herum. Wo sich dieser Dämon aufhielt, wollte ich eigentlich gar nicht so genau wissen. Die Erinnerung an ihn war noch zu deutlich.
    Was Roumond anging…
    Ich nippte abermals. Als wir die Treppe hinaufgegangen waren, war er das Erste, was ich sah. Ein zusammengesunkenes Häufchen Vampir, das mich nicht einmal wirklich wahrnahm. Er hatte mich gefragt, ob ich ihn töten wollte. Zu meiner eigenen Überraschung hatte ich verneint. Roumond hatte mich bei den Armen gepackt und geschüttelt, aber Feng hatte ihn an den Schultern zurückgerissen.
    »Sie hat ihr Versprechen nicht gehalten! Sie hat gelogen! Du musst mich töten, sonst kann ich es niemals wieder gutmachen!« Seine Schreie hallten noch in meinem Kopf nach, selbst jetzt, wo es schon Tage her war.
    Schlussendlich war er fortgerannt. Auf unserem Weg aus dem Bordell hatten wir ihn wiedergesehen. Er hatte mit weit ausgebreiteten Armen vor dem Haus gestanden und auf den Sonnenaufgang gewartet.
    Jetzt saß ich hier, eine müde, angetrunkene Endzwanzigerin mit gelegentlichen Anfällen von Reue und häufigen Anfällen von schmerzlichem Verlust. Aber das war es, was wichtig ist, nicht wahr? Dass man weitermachte und lebte. Egal als was geschah.
    »Siehst du das nicht ein wenig zu negativ?«, flüsterte jemand an meinem Ohr und gleichzeitig legte sich eine Hand über meine Augen. Ich wollte
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