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Grayday

Grayday

Titel: Grayday
Autoren: Hari Kunzru
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Vertriebs von Pornografie gesuchte Khan ist, kurz nachdem Mehta als Urheber der Leela- Viren identifiziert worden war, nicht mehr gesehen worden. Hat er seinem Freund falsche Papiere verschafft und ihn zu einer Klinik in Shanghai für eine Gesichts-Umwandlung fliegen lassen? Hat er ihn durch ein Netzwerk konspirativer Mujahedin-Wohnungen zu einer muslimischen Underground- madrassa in Kandahar geschickt? Gabbar Singh’s ist heute ein Geschenkartikelladen, sehr zur Enttäuschung der Scharen halbwüchsiger Jungen, die herkommen und vor der Tür herumlungern. Der Geschäftsführer hat, die ins Auge springende unternehmerische Gelegenheit missachtend, einen chowkidar engagiert, um sie zu vertreiben.
    Mehtas Eltern wohnen nicht mehr in Noida. Der Medienrummel, ganz zu schweigen vom Schmerz und Kummer über ihren Sohn, ließ sie von Indien nach Australien flüchten, wo sie jetzt in der Nähe ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes im Sydneyer Vorort Fairfield wohnen. Mr. Mehta, der sich aus der Geschäftswelt zurückgezogen hat, lehnt jedes Interview ab. Priti Chaudhuri und ihr Mann Ramesh ließen durch ihren Anwalt erklären, dass sie mit Arjun keinen Kontakt mehr hatten, seit er aus Redmond geflohen ist, und den »wilden Beschuldigungen« gegen ihn keinen Glauben schenken.

    Wie Arjun Mehta ist Leela Zahir nie wieder aufgetaucht. Obwohl es offensichtlich war, dass sie ihr Verschwinden geplant hatte, stürzte sich Indien in hysterische Trauer, als es die Nachricht erfuhr. So als wäre sein Star nicht untergetaucht, sondern tot. Einer ihrer Fans verkündete, er würde rückwärts von Bangalur nach Madurai laufen, um Gott versöhnlich zu stimmen, damit er sie zurückschickte. Unbestätigten Berichten zufolge sollen sich einige Menschen ihretwegen sogar verbrannt haben.
    Es sah so aus, als wäre Tender Tough zum Scheitern verurteilt, aber nach einigem Zureden durch seine Geldgeber gelang es Rocky Prasad, seine künstlerischen Bedenken gegen die Fertigstellung des Films mit einer anderen Schauspielerin zurückzustellen. Die Version, die in die Kinos kam, enthält Szenen, in denen die junge Tänzerin Aparna nur von hinten zu sehen ist, und im ganzen Film ist die Stimme der Figur synchronisiert. Einige Sequenzen des Films haben dennoch eine außerordentliche Intensität. Das Lied »Now You See Me, Now You Don’t« aus der legendären Szene auf den Burgzinnen plärrt noch heute aus jeder Teebude des Landes. Bild für Bild hat man die Szene nach einem Hinweis auf Leela Zahirs seelischen Zustand durchsucht. Ihre schottische »Krankheit« und die Geschichte ihrer persönlichen Probleme gerieten bald in die öffentliche Diskussion und lieferten den Filmzeitschriften wochenlang Futter. Doch wenn die Kamera auf die winzige Figur zufährt, die auf den Zinnen der Burg tanzt, offenbart Leela Zahir kein Zeichen von Traurigkeit oder Verdrossenheit. Ganz im Gegenteil: Bei keinem ihrer anderen Auftritte wirkte sie so sehr eins mit der Welt. Sie ist so lebendig, dass ihr unmittelbar bevorstehendes Verschwinden obszön erscheint, als Beleg einer schrecklichen, grausamen Macht, die das menschliche Leben beherrscht.
    Der Film, das versteht sich von selbst, war ein Riesenerfolg. Prasad, Iqbal und Rana wurden Virgin Coladas trinkend auf der opulenten Premierenfeier fotografiert, die in der Bankettsuite eines Mumbaier Hotels abgehalten wurde. Der Raum war wie eine Südseeinsel dekoriert worden. Nach den rituellen Bekundungen des Bedauerns über Leelas Verschwinden und einigen Minuten vager Betretenheit lief alles mehr oder weniger wie üblich ab. Geschäfte wurden abgeschlossen, gehässige Bemerkungen wurden hinter bezaubernd schönen Rücken gemacht, und jeder schaute dem anderen beim Plaudern über die Schulter für den Fall, dass sich etwas Skandalöses auf der anderen Seite des Saales ereignen sollte. Der Filmwelt war klar, dass sie mit Leela Zahir etwas verloren hatte. Sie wusste nur nicht, was sie darüber empfinden sollte.
    Eine ehrlichere Reaktion kam von Leelas Gemeinde, den treuen Filmfans, die ihre Wünsche und Begierden auf ihr riesiges, leuchtendes Leinwandgesicht projiziert hatten. Achtzehn Monate nach seinem Start lief Tender Tough immer noch täglich in einem Kino in Mumbai. Man hatte bereits begonnen, die verschollene Schauspielerin Leeladevi zu nennen, und unter den Kinogängern, seien sie Hindus oder Muslime, hatten ihre Einfachheit, ihre Schönheit und vor allem ihre übernatürliche Abwesenheit so langsam den Ruch von etwas
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