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Grayday

Grayday

Titel: Grayday
Autoren: Hari Kunzru
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Dachrinne heruntergelassen hatte, um an ihr Fenster zu klopfen. Sie ließ das Mädchen herein und stellte fest, dass es warm angezogen war und einen kleinen Rucksack bei sich hatte. Zu ihrer Überraschung »umarmte mich Leela und sagte, ich sei ihre einzige Freundin. Wir setzten uns aufs Bett, und sie erzählte mir von ihrem Leben und den Dingen, die ihre Mutter ihr antat. Ich war fassungslos.«
    Gabriella behauptet, dass Leela einen wohldurchdachten Fluchtplan hatte, aber Hilfe brauchte. »Ich hatte sie gern«, schreibt sie, »und ich hasste alle Leute, die mit dem Film zu tun hatten. Darum sagte ich ihr, ich würde sie in meinem Zimmer verstecken und am nächsten Morgen zum Flughafen in Inverness fahren.« Gabriella fragte nicht, wo sie danach hin wolle, aber »Leela sagte, sie habe einen Freund. Einen Freund, sagte sie, und dann berichtigte sie sich. Er sei kein Freund, aber sie habe im Internet mit ihm gesprochen, und sie wollten sich treffen. Mehr sagte sie nicht.«
    Am nächsten Morgen, als die Polizei mit ihrer intensiven Suche begann, bei der schließlich auch Helikopter und Taucher zum Einsatz kamen, die Loch Lone absuchten, setzte Gabriella ihr Versprechen in die Tat um. »Während der Fahrt wechselten wir fast kein Wort miteinander. Dann nahm sie ihren Rucksack und ging in die Abfertigungshalle. Ich spielte mit dem Gedanken, sie zu fragen, ob ich mitkommen dürfe.«

    Bis zum Frühherbst hatte man die Viren der verschiedenen Leela- Varianten unter Kontrolle. Schwer gestresste Systemoperateure konnten sich wieder ohne Angst an die Arbeit machen, und Computersicherheitsspezialisten begannen, ihr Geld zu zählen. Natürlich musste irgendwo alle Schuld abgeladen werden, und nach allseits übereinstimmender Meinung kam sie der Virugenix Corporation zu. Als deren Ruf ruiniert war und der Preis ihrer Aktien sich unablässig in einer Abwärtsspirale befand, musste die Firmenleitung komplett zurücktreten. Selbst das half nicht, den Imageverlust aufzufangen, und binnen eines Jahres war die Marke Virugenix von den Bildschirmen der Welt verschwunden und ihr Vermögen von den Konkurrenten geschluckt. Von einer geheimen Adresse in Montana aus betreibt der frühere Ghostbuster Darryl Grant heute die Site Mehtascourge.org, eine der extremeren Leela- Forschungs-Websites. Sie hat sich darauf verlegt, den Mann zur Strecke zu bringen, den Grant hinter vielen Übeln der Welt sieht, angefangen bei seiner eigenen Arbeitslosigkeit bis hin zur Drosselung des amerikanischen Weltraumprogramms.
    Darryl Grant hat jede Menge zu tun. Arjun Mehta und Leela Zahir werden immer wieder irgendwo gesehen, manchmal allein, manchmal zusammen. Leela hat man gesehen, wie sie in den Straßen von Jakarta gebettelt und auf dem Rücksitz von New Yorker Taxis telefoniert hat. Arjun wurde an einem Tag bei einer Antiglobalisierungs-Demo in Paris gesichtet und am nächsten auf dem Spielfeld eines Hockeymatches im ländlichen Gujarat. Er ist wahnsinnig fett geworden. Sie hat sich operieren lassen, um wie eine Europäerin auszusehen. Einem hartnäckigen Gerücht vor allem aus den pazifischen Randstaaten zufolge hat man einen jungen Mann, auf den Mehtas Beschreibung passt, in Begleitung einer südasiatischen Frau etwa des gleichen Alters in »verrückter« oder »punkiger« Kleidung beobachtet. Manchmal sieht man, dass sie sich küssen oder an den Händen halten. Nach Ansicht von Verschwörungstheoretikern gibt es nur eine mögliche Erklärung, nur ein Muster, das einen Sinn ergibt.

GLOSSAR

Indische Begriffe

    Zur Wiedergabe indischer Begriffe wurde die vom Autor gewählte anglisierte Transkriptionsweise verwendet.
    Zur Aussprache: einfache Vokale wie im Deutschen; »ee« wie langes I, »oo« wie langes U; »au« wie offenes langes O und »ow« wie AU.
    Konsonanten ebenfalls wie im Deutschen, außer j, ch und sh, die Englisch auszusprechen sind. Hinter jedem anderen Konsonanten wird H immer als deutlicher Hauchlaut ausgesprochen.

    aar(a)ti: senkrecht kreisförmiges Schwenken einer Öllampe vor einem Götterbild oder einer hochgestellten Persönlichkeit zum Zeichen der Verehrung oder als eine Art Segen.
    acchaa (achchhaa): »gut«, »prima«; »okay«
    adaab: ehrerbietiger Gruß, bei dem der Kopf geneigt wird und eine Hand (oder beide Hände, flach aneinandergelegt) an die Stirn geführt wird/werden.
    aré: vielseitig verwendbare, vertrauliche bis herablassende Interjektion; je nach Kontext mit »komm schon!«, »los!«, »Mann!«, »mach endlich!«,
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