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Grayday

Grayday

Titel: Grayday
Autoren: Hari Kunzru
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und Medienagenturen der ganzen Welt als Terroristen beschimpfen, hat Arjun Mehta auch seine Bewunderer. Julia Schaffer von der Symantec Corporation, die ausführlich über Mehtas Programmiertechniken geschrieben hat, meint, die Viren, die er in die Welt gesetzt hat, stellten »eine Revolution in der Codierung« dar. Die Zahl der Innovationen bei den Viren der Leela- Variante, sagt sie, sei »einfach atemberaubend«. Ihre Forschungsgruppe hat mehrere Applikationen entwickelt, die auf Mehtas polymorphen Methoden beruhen. »Er war ein Verbrecher«, räumt sie ein, »und das ist irgendwie schade.« An der Pinnwand neben ihrem Schreibtisch hat sie Mehtas Foto, direkt neben dem von Claude Shannon.
    Die Rollen des Gesetzlosen und des verkannten Genies sind vielen im Computer-Underground lieb und teuer, und Mehta (der beide verbindet) ist zum Helden geworden für eine jüngere Generation unzufriedener Hacker, die meinen, ihre Leistungen würden von den Unternehmen unterbewertet und von einer ignoranten und feindseligen Öffentlichkeit missverstanden. Nach dem rückhaltlos bewundernden Ton in Annoncen und Magazinartikeln zu urteilen, besteht mit Sicherheit kein Mangel an Leuten, die dem Flüchtigen helfen würden, wenn er an ihrer Tür auftauchte. Die übernatürliche Perfektion seines Verschwindens hat seine mystische Aura nur verstärkt. Eine Reihe von Autonomie-Flugschriften, die in Italien verfasst und mit seinem Namen unterzeichnet waren, haben einen gewaltigen Aufruhr in Kreisen der pohtischen Linken Europas ausgelöst. Die Hoffnung, der geniale Hacker sei auch ein Revolutionär, war in manchen Gegenden so stark, dass sie die Enthüllung überstanden hat, dass die Leela-Papiere das Machwerk einer Gruppe Radikaler aus Bologna waren, die sich Mehtas Namen als Erkennungszeichen angeeignet hatten und alle anderen, die ihn zu verwenden wünschten, aufforderten, dasselbe zu tun. In jüngster Zeit hat »Arjun Mehta« öffentliche Behauptungen über die Nahrungsmittelindustrie und die Welthandelsorganisation autorisiert. Sein Foto vom Virugenix-Firmenausweis, das gleiche, das Julia Schaffer neben ihrem Schreibtisch hängen hat, prangt nebst lustigen antikapitalistischen Slogans im Siebdruck auf T-Shirts. Arjun Mehta, Inhaber der Gap-Treue-karte und Stammgast von Niketown in Seattle, ändert rasch sein Äußeres.
    Eine Zeit lang hatte die Polizei keine Erklärung dafür, warum Kim Sun Hong sich in Arjun Mehtas Hotelzimmer befunden hatte. Der Junge stammte aus einer konservativen koreanischen Mittelschichtfamilie und war ein guter Schüler, dessen Hauptinteresse Computerspiele waren. Nichts in seinem Verhalten bis dahin ließ die geringste Neigung zu Gewalt, ganz zu schweigen zu terroristischen Verbindungen vermuten. Fragen gab es in Hülle und Fülle. Hatte Mehta den Jungen in einem Chatroom kennen gelernt? Bestand ein pädophiler Zusammenhang? War Hong gezwungen worden, Mehta in seiner »Kampagne zur Unterminierung Amerikas« (Fox News) zu unterstützen? Menschenrechtsgruppierungen beschuldigten die Polizei, ihren rücksichtslosen Schusswaffengebrauch zu bemänteln. Koreanischstämmige Amerikaner demonstrierten vor dem Rathaus in San Diego. Die Behauptung, der Junge habe mit seiner Waffe auf Officer Corey Studebaker »gezielt«, fand weithin keinen Glauben.
    Einen Durchbruch in den polizeilichen Ermittlungen gab es erst, als die Analyse der Videobänder der Mall-Überwachungskamera Bilder von Hong und einem zweiten Jungen ans Licht brachten, die Mehta in einiger Entfernung folgten. Jordan Lee, ein Klassenkamerad, wurde als Hongs Gefährte identifiziert und brach im Verhör schnell zusammen. Die Geschichte, die er der Polizei erzählte, war so phantastisch, dass man sie ihm einige Tage lang nicht glauben wollte. Hatten er und Hong, dreizehn und vierzehn Jahre alt, sich wirklich als Kopfgeldjäger betätigen können?
    Die Kriminalpolizei der koreanischen staatlichen Polizeibehörde konkretisierte den Hintergrund von Lees Aussage. Konfiszierte Computerjournale aus dem Boba Fett’s Game Café taten das Übrige. Es schien, dass fünf Tage vor dem Sturm auf das Riverside Motel ein Computercenter in Seoul durch die Leela- Variante 04 (rhizomatisch) heimgesucht worden war, keine der besonders schädlichen Spielarten, aber schwierig und zeitraubend zu entfernen. Der Vorfall wäre kaum bemerkt worden, hätten sich in dem Center nicht die Server für ElderQuest befunden, ein in Korea äußerst beliebtes
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