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Grayday

Grayday

Titel: Grayday
Autoren: Hari Kunzru
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Muttersprache?«
    »Englisch, du blöde Nutte.«
    Dass er mit der Faust auf den Tisch schlug, war keine gute Idee. Sie musste wohl auf so etwas wie einen Alarmknopf gedrückt haben, weil zwei Polizisten in den Raum gerannt kamen, ihn zu Boden warfen, sich auf seinen Rücken setzten und ihm den Kopf mehrere Male gegen den Beton schlugen, um sicher zu sein, dass er kapierte, wo es langging. Erst als sie der Ansicht waren, er habe sich beruhigt, ließen sie ihn sich wieder auf den Stuhl setzen. Jedes Mal, wenn er redete, wurde ihm gesagt, er solle schweigen. Als er seinen Mund das dritte Mal öffnete, gab ihm einer der Polizisten mir nichts dir nichts eine Ohrfeige. Er war zu verdattert, um richtig wütend zu sein.
    Die Einwanderungsbeamtin hatte keine weiteren Fragen an ihn. Er warf ihr versöhnliche Blicke zu, zunehmend verzweifelte Blicke, die ein starkes europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl ausdrücken sollten. Sie führte die Aufsicht, als die Polizisten ihm die Fingerabdrücke abnahmen, und würdigte ihn keines Blickes, als er im Polizeigriff aus dem Raum in Richtung des Teils des Hangars geschleppt wurde, in dem er den Sicherheitsbereich vermutete. Es war ein mit Maschendraht abgezäunter Bereich, vor dem Polizisten mit halbautomatischen Waffen patrouillierten.
    In der Umzäunung befand sich etwa ein Dutzend Männer, die ihn argwöhnisch beäugten. Er schaute auf seine Uhr. Es war kurz nach 8 Uhr. Um halb neun gab er sich der vernichtenden Erkenntnis geschlagen, dass keiner seiner Mitgefangenen ein Handy hatte. Er hatte das Wort Telefon mit verschiedenen Akzenten wiederholt, dabei die Finger der einen Hand gespreizt, während er mit der anderen Kreisbewegungen gemacht hatte. Er saß fest. Er wollte ein bisschen schlafen.
    Um 9.15 Uhr versuchten zwei Afghanen, ihm die Uhr zu stehlen. Die Posten hinderten sie daran. Von da an versuchte er wach zu bleiben.
    Um 10.20 Uhr wurde er in einen zweiten Befragungsraum gerufen. Zwei Männer saßen hinter einem Schreibtisch. Andere Stühle gab es nicht. Seine polizeilichen Begleiter blieben rechts und links von ihm stehen. Während der eine der Männer in schnellem Französisch sprudelnd das Wort an ihn richtete, übersetzte der andere in eine fremdartige, gutturale Sprache voller Zetts und Jotts. Guy bat sie immer wieder, Englisch zu sprechen, und wiederholte, dass er nichts verstünde, dass ein Missverständnis vorliege, bis der Befrager in einer Geste gespielter Verzweiflung die Hände in die Luft warf und etwas sagte, was alle anderen im Raum mit Gelächter quittierten. Eine offizielle Erklärung wurde verlesen, in der er als Monsieur Georges Irgendwas angeredet wurde. »Bitte«, sagte er zu ihnen, »je ne comprends. Ich bin nicht diese Person. Ich bin Brite. Moi Guy Swift, zitiesän brietiesch.«
    Der Einwanderungsbeamte lächelte. »Aber natürlich, Mr. Swift«, sagte er sarkastisch. Die Polizisten führten ihn aus dem Raum.
    Die selbstgefällige Miene des Mannes war es, was Guy in Panik versetzte. Selbstsicherheit nach einer gut gelösten Aufgabe, Gott sei Dank, wir sind ihn los. Er fing an zu schreien, er brauche einen Anwalt, werde entführt, müsse zu einer wichtigen Sitzung. Ein Polizist nahm ihm mit einem raschen Schlag in den Magen die Puste, was ihn lange genug davon abhielt, sich zu wehren, bis ihm Handschellen angelegt waren und man ihn wieder in den Drahtkäfig geworfen hatte. Er rüttelte an dem Maschendraht, schrie um Hilfe und trat mit dem Absatz seines Schuhs gegen die Zaunpfosten in der vergeblichen Hoffnung, dass jemand anderer im Raum, vielleicht irgendein britischer Polizeibeobachter, seinen Akzent heraushörte und ihm zu Hilfe käme. Er machte so viel Lärm, dass er an Händen und Füßen an einen Rollstuhl gefesselt quer über das Rollfeld zu dem eigens gecharterten Flugzeug gefahren wurde. Man hatte ihm den Mund mit Klebeband verklebt, um ihn am Schreien zu hindern, und einen Motorradhelm über den Kopf gestülpt, damit er seine Begleiter nicht beißen und sich selbst nicht k.o. schlagen konnte, was er beides ernsthaft in Erwägung gezogen hatte. Um 13 Uhr, als er eigentlich mit Frau Direktor Becker und den anderen Mitgliedern der PEBA-Arbeitsgruppe Öffentlichkeitspräsentation hätte Platz nehmen sollen, flog er in 10000 Metern Höhe per Abschiebeklasse in Richtung Tirana, Albanien. Wie es kam, dass der junge Marketingmanager, britische Staatsangehörige und vernehmlich Englisch sprechende Guy Swift als Gjergj Ruli, albanischer
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