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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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zu schwarzen, stöhnenden Löchern geöffnet. Hohlwangige Gesichter, über deren Knochen sich graue Haut spannte.
Sie drängten durch die Tür auf die Seite der Lebenden. Ihre Schritte waren langsam und beharrlich, als würden ihre Füße von Etwas unter der Erde geführt. Die ausgemergelten Leiber stießen sich gegenseitig durch die Öffnung, verstopften sie und fluteten schließlich wie ein Schwall fauligen Wassers nach New Eden. Ihr Wehklagen erfüllte die Nacht.
Dann kam das Heulen. Hungriges, bestialisches Kreischen aus den Ruinen von Mayfield.
Die kalte Nachtluft vibrierte, als würde eine fürchterliche Schockwelle durch das Dunkel pflügen.
Meg konnte ihre Schatten sehen. Sie sprangen aus dunklen Fensteröffnungen, finsteren Hauseingängen oder den Dächern der Bungalows, die sich wie geprügelte Hunde unter der Meute der Bestien zusammenkauerten.
Das Letzte, was Meg in ihrem Leben sah, war der nackte, wolfsähnliche Schädel einer höllischen Kreatur, die sich mit geifernden Lefzen auf sie stürzte. Binnen einer Sekunde erlosch das gefräßige Knurren in ihrem Verstand und wich allumfassender, tiefer Stille …

Kapitel 6
Die Schreie der Toten

In der alten Zeit sagte man, Erinnerungen sind Bilder, von Engeln gemalt.
Die letzten Bilder der Erde aber schuf der Teufel aus dem Blut der Sterbenden.
Daryll springt aus dem Bett, der Boden unter seinen nackten Füßen ist kalt. Die Luft um ihn herum bebt, das Haus scheint sich in seinen Grundfesten zu heben, wie ein riesiges Tier, das zu flüchten versucht.
Infernalisches Geheul zerfetzt die Nacht. Daryll greift zu seiner Waffe, läuft zu Murphy, schüttelt ihn. Ein Stofftier fällt zu Boden und verschwindet im Dunkeln. Der alte Mann liegt da, ein zufriedenes Lächeln im Gesicht. Sein Körper ist kalt und steif.
Aus dem Zimmer nebenan sind Schüsse zu hören. Dumpfer, hohler Donner. Schüsse auf der Straße. Jemand schreit; erst eine Frau, dann ein Mann. Und immer wieder das schrille Kreischen der Bestien. So wie in Devon, wie in Kagan´s Creek.
Daryll läuft zur Tür. Im selben Moment schlägt etwas von der anderen Seite mit enormer Kraft gegen das Holz. Staub rieselt vom Türsturz, der Rahmen scheint sich nach innen zu wölben, zersplittert. Der Gestank nach alten Tierställen dringt ins Zimmer.
Er sieht etwas Braunes, Glänzendes durch die Splitter im Holz. Ein letzter Blick zu Murphy, der gerettet ist. Dann springt Daryll aus dem Fenster. Er weiß, dass sich darunter das Wellblechdach eines Anbaus befindet. Seine bloßen Füße schmerzen, als er auf dem rauen Metall landet. Kalte Luft dringt in seine Kleidung. Er hat in Hose und T-Shirt geschlafen, so wie immer in den letzten Tagen.
Er hört das helle Bersten von Glas, sieht nach oben und erblickt Wulf, der versucht aus dem Fenster zu klettern. Sein Oberkörper ist nackt, tiefe Schnitte verunstalten seinen Leib. Blut glänzt im Dunkel der Nacht.
Ihre Blicke treffen sich. Der Blick des Jungen, der kein Kind mehr ist, und der Blick von Wulf, dem indianischen Helden eines Jungen, der irgendwo in Deep River in einem Garten begraben liegt.
Wulf war auch Darylls Held.
In dieser letzten Nacht ist Wulf kein Held mehr.
Daryll hebt die Arme, versucht in sinnloser Verzweiflung nach seinem Freund zu greifen. Im nächsten Moment wird Wulf wie eine Strohpuppe ins Zimmer zurückgezogen. Ihre Blicke werden getrennt, Wulf verschwindet. Zurück bleibt etwas Glänzendes an den Glasscherben des Fensters. Es wird still im Zimmer dahinter.
Daryll wendet sich benommen ab. Die Welt dreht sich, rast auf ihn zu und zieht sich wieder zurück.
Er springt hinter eine Hecke, die das Hotel von der Straße trennt. Schüsse donnern durch die Nacht, die Luft ist erfüllt vom Gestank nach Pulver, Kordit und Blut.
Darylls Füße bluten, als er auf die Straße tritt. Der Anblick, der sich ihm bietet, gräbt sich wie ein Messer in seine Eingeweide. Menschen rennen über die Straße. Männer, Frauen, Kinder. Manche kennt er. Dan, Parker und einen Jungen, mit dem er am Nachmittag Fußball gespielt hatte. Die meisten sind ihm fremd. Zwischen ihnen und über ihnen sieht er abscheuliche Monster, die ihn an gigantische, nackte Hunde erinnern. Ihr Brüllen und Heulen lässt die Luft erzittern, als würde die Nacht selbst vor diesen Geschöpfen flüchten.
Überall liegen Leichen. Viele von ihnen sind abgemagerte, graue Wesen in zerrissener Kleidung. Menschen wie Mary Jane. Oder das Mädchen auf dem Acker. Wie war ihr Name?
Daryll erkennt Dr. Shoemaker,
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