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Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)

Titel: Graues Land - Die Schreie der Toten (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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Schritt auf Joshua zu.
»Wir erschießen sie.«
Stevensons Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Seine Worte erreichten Wulfs Verstand, als würde er aus weiter Ferne sprechen.
»Was macht Howard mit ihnen?«
Durch Wulfs Gedanken raste ein endloser Strom aus Fragen und Bildern, eines schlimmer als das andere.
»Er untersucht sie. Nimmt ihnen Blut ab – oder das, was von ihrem Blut übrig ist. Gewebeproben, Fleischproben. Alles was uns nützliche Hinweise liefern kann.«
Wulf wandte sich von Joshua ab und ging zum Regal mit den Gläsern und Zylindern. Der Boden schien vor ihm zurückzuweichen. Er hatte das Gefühl, bei jedem Schritt über einen Graben springen zu müssen. Das Regal schien in seiner Verankerung zu beben und zu vibrieren. Die Gläser waren verzerrte Schatten. Dennoch erkannte Wulf den Inhalt einiger dieser Behälter. Darin schwammen dünne Gewebeproben in einer klaren Flüssigkeit. Shoemaker hatte jedes Glas beschriftet, doch Wulfs Blick fehlte die Genauigkeit, um Daten erkennen zu können. Er konnte lediglich Namen wie ›Sheila‹, ›Mark‹ und ›Emma‹ entziffern. In zwei großen Einmachgläsern schwammen in einer trüben, gelblichen Flüssigkeit jeweils ein Finger und ein grotesk geformtes Stück Fleisch, dessen Ränder schwarz waren, als sei es in der Pfanne angebrannt.
»Ich weiß, dass es nicht einfach zu verstehen ist«, hörte er Joshuas Stimme wie das Flüstern eines weit entfernten Windes hinter sich.
»Nein, ich verstehe wirklich nicht«, gab Wulf stockend zurück. »Was erhoffen Sie sich davon?«
»Das habe ich doch bereits zu erklären versucht. Die größte Hypothese ist natürlich das Ausrotten der Seuche, die unsere Erde zerstört hat. Unser kleinstes Ziel ist es, die vielen Infizierten retten zu können, die wir noch finden werden.«
Wulf drehte sich zu Joshua um. »Das sind Menschen.«
»Genau deshalb tun wir das«, erwiderte Joshua. »Weil sie Menschen sind.«
»Menschen empfinden Schmerzen. Emma empfindet Schmerzen. Was gibt Ihnen das Recht, ihr einen Finger zu nehmen? Oder Fleisch aus ihrem Körper zu schneiden? Sie empfindet immer noch Schmerzen.«
Joshua schüttelte langsam den Kopf. »Das tun sie nicht. Sie kennen keine Schmerzen oder Verlustängste mehr. Sie sind im Grunde tot.«
Wulf machte einige unsichere Schritte auf die Metalltür zu, hinter der Emma stand. Doch er schaffte es nicht, durch das Sichtfenster zu blicken. Joshua trat neben ihn. Ihre Blicke trafen sich kurz, ehe Wulf wieder auf die Tür starrte. Wie viele Tage und Nächte stand Emma schon dahinter im Dunkeln und wartete darauf, dass Shoemaker weitere Versuche mit ihr durchführte? Wie lange mussten Sheila und Mark leiden, ehe sie durch Joshuas Waffe erlöst wurden?
»Ihr spielt Gott.«
»Wir haben sonst keinen Gott mehr hier«, antwortete Joshua nach einer Weile leise. »Einer muss doch seinen Job übernehmen.«
Wulf wandte sich wortlos ab und verließ den Keller. Als er auf der Straße stand, blieb er stehen und atmete tief durch, um seinen Herzschlag zu beruhigen. Er schmeckte bittere Galle im Mund. Der Tag erschien ihm zu hell, das Stöhnen der Infizierten in seinem Kopf zu laut.
XII
Demi saß auf den Stufen des Hotels und dachte über Meg nach. Sie schaffte es nicht, das Mädchen Erin zu nennen. Sie hatte sie als Meg kennengelernt, ihr diesen Namen sogar selbst gegeben, und so sollte es bleiben.
Sie hatte es geschafft, den Turm um Meg zum Einsturz zu bringen. Sie durfte bis ins tiefste Verlies dieser Festung blicken und die grauenvollen Bilder sehen, die Meg ihr Leben lang verfolgen würden. Demi hatte die Schreie gehört, die in Megs Kopf wie ein gottloser Orkan aus der Hölle wüteten. Die Schreie ihrer Schwestern. Die Schreie von Holly und Jenny. Selbst Demi konnte sie voneinander unterscheiden. Sie konnte ihre Schmerzen und Ängste tief in ihrem Innern spüren. Meg hatte sie in ihre düstere Welt gezogen, ihr eine brodelnde, stinkende Hölle gezeigt … und dann wieder von sich gestoßen. Als Demi gegangen war, hatte sie einen letzten Blick auf Meg geworfen. Sie sah eine menschliche Puppe auf dem Bett sitzen, die mit wächsernem Gesicht und ausdruckslosen Augen zurück nach Cromwell starrte.
Einige Häuser weiter die Straße hinunter öffnete sich eine Tür. Demi hob den Kopf und blickte in die Richtung. Ein Mann trat auf den Plattenweg, der zur Straße führte. Sie senkte ihren Blick wieder, starrte auf den brüchigen Asphalt zwischen ihren Füßen. Hollys und Jennys Schreie wollten nicht
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