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Grappas Gespuer Fuer Schnee

Titel: Grappas Gespuer Fuer Schnee
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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legte ich den Telefonhörer auf. Gar nicht schlecht für den Anfang. Ich hatte die Lunte an ein Fass gelegt, von dem ich nicht wusste, was es enthielt.
    Schnell informierte ich Jansen über die Gespräche.
    Er grinste breit: »Die Lawine kommt in Bewegung.«
    »Jetzt müssen wir nur noch aufpassen, dass nicht die Falschen im Schnee ersticken.«
    »Ich baue auf dein Gespür für Schnee, Grappa.« Immer musste Jansen das letzte Wort haben.

    In der Folge informierte ich mich genauer:
    Kokain bewirkt im Zentralnervensystem eine Stimmungsaufhellung, Euphorie, ein Gefühl gesteigerter Leistungsfähigkeit und Aktivität sowie das Verschwinden von Hunger- und Müdigkeitsgefühlen. Durch die Störung der Gefühle für Hunger, Durst, Furcht, Schlaf und Wachen kann es zu starken Mangelerscheinungen in diesem Bereich kommen.
    Regelmäßiger Konsum kann an den Körperreserven zehren. Massiver Schlafentzug aufgrund von Kokainkonsum kann zu paranoiden Halluzinationen, Verfolgungsängsten, zeitlicher und örtlicher Desorientierung, gesteigerter Nervosität und Aggressivität führen.
    Es war inzwischen Nachmittag. Die Lektüre der Informationen über das Suchtmittel weckte in mir einen Heißhunger auf Mandelhörnchen.
    Ich sah mich um. Polit-Gies hämmerte seinen Artikel ins System. Sarah und Susi räumten ihre Schreibtische auf. Frau Wurbel rührte Zucker in ihren Kräutertee. Simon war noch nicht von den Fußballern zurückgekehrt und Jansen hatte einen Termin beim Arzt.
    Mein Magen knurrte. Die Bäckerei meines Vertrauens hatte noch geöffnet.

    »Tach.«
    »Tach auch.«
    »Wie isses?«
    »Muss! Wie imma?«, fragte Anneliese Schmitz.
    »Vitalbrot und vier Brötchen für morgen«, gab ich zurück.
    Klar, dass sie nachfragen musste.
    »Vier oder zwei?«, staunte sie.
    »Vier.«
    »Kommt wer?«
    »Könnte sein«, antwortete ich mit neutraler Miene.
    »Und wer?«
    »Liebe Frau Schmitz«, seufzte ich. »Die Kavalierin genießt und schweigt.«
    »Dann isses der Mann von neulich«, strahlte sie. »Der hat auch vier Brötchen gekauft.«
    »Viele Männer kaufen vier Brötchen«, meinte ich.
    »Der aber nicht«, beharrte die Bäckerin. »Den Mann, den ich meine, kenne ich aus der Zeitung. Von einem Foto. Und wissen Sie was, Frau Grappa?«
    »Nein, aber Sie sagen es mir ja bestimmt.«
    »Er hat auch noch zwei Mandelhörnchen mitgenommen.«
    »Na, und? Die Dinger sind halt Klasse.«
    Anneliese Schmitz wandte sich ab. War sie verschnupft? Schweigend nahm sie das Brot vom Regal, schlug es in Papier ein und legte die vier Brötchen in eine Tüte.
    »Fünf fünfzig, Frau Grappa.«
    »Ohne Mandelhörnchen geh ich nicht, Frau Schmitz.«
    »Normale Ration?«, fragte sie.
    »Genau, zwei, wie imma.«
    Sie tat die leckeren Dinger in eine zweite Tüte. »Dann sind es sechs siebzig.«
    »Danke.« Ich packte den Einkauf und bezahlte.
    »Unter dem Foto standen die Namen der Leute, die drauf waren«, grinste Frau Schmitz.
    »Dann wissen Sie ja, wie der geheimnisvolle Mandelhörnchenkäufer heißt«, lächelte ich.
    »Klar. Schöner Mann übrigens. Und so seriös. Nun sehen Sie mal zu, dass der ein bisschen länger bleibt als die anderen.«
    Ich schluckte.
    »Na ja, Sie sind ja jetzt auch schon älter, Frau Grappa. Da wächst sich vieles aus.«

    Schön, dass mir die Bäckerin Hoffnung auf ein normales Leben gab. Im Auto ging das erste Mandelhörnchen den Weg alles Irdischen. Köstlich. Dabei malte ich mir das Leben aus, das mir die Bäckerin in Aussicht gestellt hatte: eine komische Alte in einem Haus mit Grasdach, im Vorgarten ein Rabe und im Hausflur der Rollator. Essen auf Rädern und eine Zusatzversicherung für den Zahnersatz. Das zeitgenössische Paradies.
    Nein, protestierte die Jugend in mir. Du kochst viel zu gerne, um dir den durchgedrehten Fraß einer Großküche anzutun. Du hast noch alle Zähne. Du beißt ab und zu um dich und hinterlässt dabei Spuren. Dein Rabe beschützt dich. Die Nummer mit dem Rollator ist nichts als Koketterie.
    Okay, dachte ich. Ab nach Hause, das muss gefeiert werden.

    Der Pinot Grigio war kalt genug und wartete darauf, aufgeploppt zu werden.
    Ich schenkte mir ein Glas ein. Sollte ich ihn anrufen? Seit Tagen war Funkstille zwischen uns. Nein, ich nicht zuerst.
    Ich nahm einen Schluck. Meine Disziplin begann, sich zu verflüssigen.
    Ich stellte den Fernseher an, um mich abzulenken.
    Bauer sucht Frau – die Balzschau zwischen Schweinetrog und Gülle. Der hilfsbereite Hühnerwirt Hansi holt unter seiner Lieblingshenne
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