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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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gesprochen.«
    »Ach? Mein Handy ist verloren gegangen.«
    »Dann weißt du noch gar nicht, dass die Lindenthal tot ist?«
    »Tot?« Sie wurde bleich.
    »Ja. Sie ist erstickt.«
    Wir setzten uns zu Tisch. Niemand sprach. Kleist war stumm geblieben und fixierte Caro, ich fixierte Kleist. Die Schwingungen im Raum wurden unerträglich.
    »Was ist los?«, fragte ich. »Irgendetwas geht hier vor.«
    Kleist trank – betont langsam – einen Schluck Mineralwasser. Caro starrte auf die Tischplatte.
    »Caro! Zählst du die Astlöcher im Holz?«, fragte ich.
    »Wir haben das hier bei Lara Lindenthal gefunden«, sagte Kleist plötzlich und nahm ein Blatt Papier aus der Brieftasche. Es war gefaltet.
    »Lara Lindenthal hatte gestern Geburtstag. Ihren neununddreißigsten. Sie hat Glückwunschschreiben bekommen. Sogar von ehemaligen Schülerinnen und Schülern und Kollegen. Dieser Glückwunsch war auch dabei.«
    Ich entfaltete das Blatt Papier. Es war die Farbfotokopie einer normalen klappbaren Glückwunschkarte, wie sie in jedem Schreibwarengeschäft zu bekommen ist. Rote Rosen bekränzten die Ränder der Karte. Ein Gedicht war auf der ersten Seite zu lesen:

     

    Ach, es ist so dunkel in des Todes Kammer,
    Tönt so traurig, wenn er sich bewegt
    Und nun aufhebt seinen schweren Hammer
    Und die Stunde schlägt.

     
    »Liest sich nicht unbedingt wie ein fröhlicher Geburtstagsgruß«, murmelte ich.
    »Das ist ein Gedicht von Matthias Claudius«, erklärte Kleist.
    Ich drehte das Blatt um und sah sechzehn Namen. Es waren die Namen der toten Schülerinnen und Schüler der elften Klasse.
    »Caro? Warst du das etwa?«, fragte ich.
    Sie schaute mich trotzig an. »Ja. Warum nicht? Ist es verboten, seiner ehemaligen Lehrerin zum Geburtstag zu gratulieren?«
    »Genau so habe ich mir liebe Glückwünsche immer vorgestellt«, sagte ich trocken. »Und über diese Karte hat sich die Lindenthal so erschrocken, dass sie erstickt ist?«
    »Die Karte lag auf dem Tisch«, berichtete Kleist. »Und Lara Lindenthals Kopf unmittelbar daneben. So ist sie gefunden worden.«
    »Ich kann nichts dafür«, verteidigte sich Caro. »Ich wollte sie nur an ihre Schuld erinnern – mehr nicht.«
    »Wir lassen die Sendung jetzt untersuchen.« Kleist biss mit Appetit in ein Pizzastück.
    »Untersuchen?«, fragte Caro.
    Ich blickte von Caro zu Kleist und wieder zurück. In meinem Hirn begann ein wildes Schneetreiben. Ein Brief, der tötet. Glückwünsche, die eine Allergikerin umbringen.
    Caro. Sie arbeitete im Tierheim. Caro.
    »Enthielt der Brief ein Stück Katzenfell?«, fragte ich.
    »Nein. Es ist übrigens ein Irrtum zu glauben, dass Katzenhaare die Allergie auslösen«, erklärte Kleist. »Es ist der Speichel. Wenn wir Katzenspeichel auf dem Papier finden, wissen wir Bescheid.«
    Caro sagte nichts. Sie trank ihr Glas Wein mit einem Zug leer und schenkte sich sofort nach.
    »Möchtest du hier übernachten, Caro?«, fragte ich.
    »Nein. Ich will ins Schloss zurück. Und zwar auf der Stelle.«

     
    Die Untersuchungsergebnisse zur Glückwunschkarte lagen drei Tage später vor. Das Papier war mit Katzenspeichel getränkt. Konzentriert genug, um Lara Lindenthal einen allergischen Schock zu bescheren, der zum Erstickungstod führte. Karte und Umschlag wiesen Fingerabdrücke von Caro auf.
    »Caro hat nicht verschleiert, dass sie diese Karte geschickt hat. Keine Handschuhe. Die Frage ist jetzt, wie die Allergene auf die Karte gekommen sind. Wie alle im Internat wusste Caro von der Allergie. Und dann ist es ja nicht nur der Asthmaanfall allein«, berichtete Kleist.
    Wir hatten uns in Schmitzens Bistro zum Frühstück getroffen.
    »Was denn noch?«
    »Der Schreck. Lara Lindenthal bekommt eine Glückwunschkarte mit einem Todesgedicht und den Namen der jungen Menschen, die sie auf dem Gewissen hat. Und dann atmet sie den Katzenspeichel ein – ohne es zu wissen. Bei einem Schreck atmet man oft schnell und tief ein. Und schon bekommt sie Atemnot. Die Angst packt sie. Das Kortisonspray hat sie nicht gleich zur Hand. Sie ist in einer Zelle, ungewohnte Umgebung. Sie ist zu schnell geschwächt und zu aufgeregt, es sich zu holen.«
    Anneliese Schmitz räumte auf dem Tisch herum und bemühte sich, so viel wie möglich mitzubekommen.
    »Das ist ja mal ’ne interessante Todesart«, plapperte sie fröhlich. »Tod durch Katzenspucke. Hab ich noch nie gehört, echt!«
    »Frau Schmitz!«, ermahnte ich sie. »Alles, was du hier hörst, ist geheim. Das weißt du, oder?«
    »Klar. Topp
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