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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Pädagogen! Das ist unglaublich!«, rief ich aus. »Was sagt Frau Lindenthal zu den Beschuldigungen?«
    »Sie streitet natürlich alles ab. Lerchenmüller habe ihr eins auswischen wollen, weil sie ihn abgewiesen hatte. Für diese Behauptung gibt es tatsächlich eine Vielzahl unterstützender Dokumente.«
    Die Liebes- und Drohbriefe, dachte ich. Sie vergiftet Lerche, damit er seine Behauptungen nicht wiederholen kann, und setzt alles daran, dass sein notarielles Geständnis unglaubwürdig wirkt. Diese Frau wusste genau, was zu tun war, um einer langjährigen Gefängnisstrafe zu entgehen.

     
    Ich hatte neunzig Zeilen auf der Eins. Das war viel, aber es war schnell geschrieben. Ich musste nichts in die Länge ziehen, sondern gab schnörkellos wieder, was der Staatsanwalt bekannt gegeben hatte. Zum Schluss konnte ich mich allerdings nicht beherrschen und berichtete auch noch von der Strategie Lindenthals, Lerchenmüller als rachedurstigen, abgewiesenen Möchtegernliebhaber darzustellen.
    Patricks Vater schickte ich eine SMS aufs Handy mit dem Hinweis, sich die Online-Ausgabe des Tageblattes zu Gemüte zu führen.
    Zu Hause wartete Caro auf mich. Sie hatte Lokalradio gehört und war völlig aufgelöst.
    »Ich wusste es von Anfang an«, schluchzte sie. »Die Lindenthal steckt hinter allem. Aber dass Lerchenmüller Patrick abgeknallt hat – das hätte ich ihm nicht zugetraut. Ich hoffe, die Lindenthal geht für den Rest ihres Lebens in den Knast.«
    »Da bin ich mir nicht sicher«, seufzte ich. »Wenn das Gericht Zweifel an Lerchenmüllers Geständnis hat, könnte sie davonkommen.«
    »Wie meinst du das?« Caro sah mich mit ihren auffälligen grünen Augen an.
    »Es steht Aussage gegen Aussage«, erklärte ich. »Die Briefe und E-Mails, die Lerche an Lara geschrieben hat, sprechen für sich. Zum Schluss hat er sie bedroht und von Rache gesprochen. Ich habe die Unterlagen gesehen. Und Lerchenmüller kann sich nicht mehr wehren.«
    »Dafür hat sie ja gesorgt«, brauste Caro auf. »Mit den verdammten Giftpralinen.«

     
    Einen Teil der Nacht verbrachte ich mit der Lektüre der Lerchenmüller-Briefe. In den älteren Schreiben hatte er Lara Lindenthal jeden Tag ein kleines Gedicht verehrt, das sie liebevoll durch den Tag tragen sollte. Er nannte sie bei Kosenamen, wie die jeweiligen Gedichte es erforderten. Heloise, Isolde, Blancheflor – Lerchenmüller bevorzugte die Literatur des Mittelalters. Das gemeinsame Motiv der Verse war unerfüllte Sehnsucht, Verheißung von Glück und das Lob der Geliebten.

     
    Vidi florem floridum, vidi florum florem, Vidi rosam Madii cunctis pulchriorem, Vidi stellam splendidam, cunctis clariorem, Per quam ego degeram lapsus in amorem.

     
    Der Text war mit einem kleinen Bild verziert. Meine Lateinkenntnisse waren ziemlich eingerostet, doch ich erkannte den Text. Er stammte aus den Carmina Burana. Ich schaute nach der Übersetzung:

     
    Ich sah eine blühende Blume, ich sah die Blume der Blumen. Ich sah eine Mairose, schöner als alle. Ich sah einen leuchtenden Stern, heller als alle, durch den ich mein Leben verbringen werde, der Liebe verfallen.

     
    Warum wirken Verliebte immer so peinlich auf die, die sich gerade nicht in diesem Ausnahmezustand der Gefühle befinden?

    Nach einem halben Jahr änderte sich der Ton in Lerchenmüllers Briefen. Er war traurig und bittend statt romantisch, fast schon depressiv. Ich las: Im großen Pflanzenwuchsgetriebe des Lebensackers ist kein Kraut, das so viel Gift zusammenbraut , als langsam abgedorrte Liebe.

    Einige Wochen später wieder ein Bruch in der Tonart. Der Schuldirektor hatte keine Gedichte mehr geschrieben, sondern schnöde Prosa. Die Wortwahl war niveaulos und wurde aggressiv und bösartig. So blieb es bis etwa vier Wochen vor den unglaublichen Morden.
    Danach gab es keine Briefe mehr. Jedenfalls keine, die Lara Lindenthal hergegeben hätte.

Allerhand lebende Haustiere

    »Möchtest du eine Katze haben? Oder einen Hund?«, fragte Caro am Morgen.
    »Ich hab noch nicht mal einen Mann«, muffelte ich im Halbschlaf. »Was soll ich dann mit einem anderen Haustier?«
    Der erste Kaffee des Tages stand dampfend auf dem Tisch.
    »Wir haben so viele nette Tiere im Heim«, machte Caro weiter. »Und du hast ein großes Haus und einen großen Garten.«
    »Hör auf, Caro«, wehrte ich ab. »Ich hatte mal einen Kater, aber das lief nicht wirklich gut. Eberhard ging mir mit seinen dummen Sprüchen auf den Zwirn.«
    »Sprüche?«, grinste sie. »Er hat
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