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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer
Autoren: Jobst Mahrenholz
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Die Nacht lag kühl auf den Bäumen und trug den Duft von eisigem Winter zu mir herauf. Ein wirklich gewaltiges Aroma, welches unmöglich auf einen Teller zu bannen ist. Bedauerlicherweise...
    Ich saß auf der klammen steinernen Terrassenmauer, ein Glas Roten in der Hand und fror. Mein Blick wanderte ins Tal hinab, wie so oft in der letzten Zeit, und meine Gedanken wanderten mit. Da unten, da lag das Meer, der Strand, da lag Genova, ' la Superba' ...
    Hier oben, da gab es die Stille. Eine allumfassende Stille.
    Nicht äußerlich...
    Denn da gab es den Wald, es gab den Wind, der das Laub aufwühlte, mit einer Kraft, die nachts meine Fantasie auf den Plan rief. Es gab unzählige Tiere, deren Rufe für ihre eigene Art Lockung versprechen mochten, für mein Ohr aber eher nach Schmerz und Trauer klangen.
    Doch es gab eben auch die Stille!
    Die in mir drin zum Beispiel.
    So wie man nicht immer merkt, wenn etwas lauter wird, wie ein Ton mehr und mehr nach vorne dringt, so wenig hatte ich mitbekommen, wie es nach und nach in mir verstummte, immer leiser und leiser geworden war.
    La Superba...
    Es war dringend an der Zeit, einen Entschluss zu fassen, was mir anhand dieser inneren Stille als fast unmöglich erschien. Das Denken fiel so schwer. Und dann die Kälte...
    Hinter mir erstreckten sich die trutzigen, steinernen, uralten Wände meines Hauses gen Himmel. Mein Schutzwall, meine Zuflucht, aber auch meine ach so geliebte Wirkungsstätte - mein Heim. Es lag im Dunkeln in dieser Nacht. Ich war alleine, fast...
    Das war gut...
    Sehr gut...
    Und dann, nach einer langen Zeit des Wartens, fasste ich tatsächlich einen Entschluss.
    Meine rechte Hand ertastete mein linkes Auge, entfernte es mit geübtem Griff und klemmte es zwischen Daumen und Zeigefinger. Es war das Rote.
    Ich betrachtete es, als sähe ich es zum allerersten Mal, und plötzlich entglitt mir ein Lächeln, ein kaltes.
    Ich hatte es eigentlich noch nie besonders gemocht, das Rote. Es war mir zu laut und, ja, auch zu billig. Aber seinerzeit hatte es seinen Dienst erfüllt.
    Aufs vortrefflichste...
    Noch einen kurzen Moment verweilte mein Blick auf der kleinen Glaslinse, dann nickte ich, holte weit aus und warf sie, so weit ich konnte, ins Tal hinab.
    Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Schwarz würde folgen. Das war gut so, wie ich fand. Es war angemessen...

1.

    Ein Restaurant zu führen, das ist das eine - ein Hotel, nun, das ist etwas ganz anderes.
    Klar, ein Hotel benötigt mehr Personal. Zimmer müssen hergerichtet und regelmäßig gereinigt werden. Dasselbe gilt natürlich für Handtücher und Bettwäsche. Dann wäre da noch das Frühstück. Aber all das ist es nicht, was es so grundlegend anders macht.
    Wir verzichteten zum Beispiel auf einen abrufbaren Zimmerservice um uns die Arbeit zu erleichtern. Und in Sachen Verwaltung hielt sich der Aufwand in Grenzen, denn mit gerade mal sieben Zimmern war unser Angebot überschaubar.
    Was es jedoch so komplett anders macht ist, dass der Hotelbetrieb, im Gegensatz zum Restaurant, in die Privatsphäre eindringt.
    Die Gäste bleiben über Nacht: Das ist der Unterschied!
    ·
    Santa Maria della Casella lag hoch oben, auf dem Plateau eines steilen Bergkamms. Eine einmalige Lage. Völlig einsam, aber wunderschön.
    Als ehemaliges Kloster verfügte es über eine klug angelegte Architektur. Drei zweigeschossige Gebäudeflügel bildeten ein stattliches 'U'. Zwei davon standen den Gästen zur Verfügung. Den westlichen nutzte ich privat.
    Im mittleren Trakt befanden sich zudem die Rezeption, ein Teil der Wirtschaftsräume, die Küche und der angrenzende Speiseraum. Ein großzügig angelegter Gemüsegarten sowie zwei geschützte Terrassen waren talwärts nach Süden ausgerichtet und boten einen Blick, der mit Worten nur schwer zu erfassen ist. Schon alleine deshalb, da er sich, je nach Wetterlage, im Minutentakt ändern konnte. Zum Norden hin empfing einen der gepflasterte Innenhof mit Parkplätzen und einem uralten, schattig gelegenen Brunnen, dessen kristallklares Quellwasser über die Jahrhunderte die moosbewachsene Mauernische ausgespült hatte, aus der es sich ergoss.
    Natürlich gab es auch eine kleine, schlichte Klosterkapelle, die man aber nicht in die Gebäude integriert, sondern ganz für sich, am Rande des Grundstücks, errichtet hatte. Das war ungewöhnlich, kam mir aber sehr entgegen. Sie diente uns als Lager und Werkstatt.
    Doch trotz all der Großzügigkeit, trotz der geschickt angelegten Gebäudeaufteilung -
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