Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
Vom Netzwerk:
mit dir geredet?«
    Ich ging nicht auf die Frage ein. »Ich muss los.«

     
    Auf dem Weg zur Arbeit hörte ich Lokalradio. Jansen war jetzt offiziell Oberbürgermeisterkandidat für die SPD und die Grünen. Diese Personalie hatte die Aufklärung der Internatsmorde auf Platz zwei der Nachrichten verdrängt.
    In sieben Monaten würde der Wahlkampf beginnen. Im Sommer hätte ich dann einen neuen Chef. Grausige Vorstellung. Hoffentlich nicht so ein schnöseliger Sonnenbanktyp, wie sie gerade in Mode waren.

     
    Ich traf meinen Noch-Chef in der Kaffeeküche. »Glückwunsch, Peter!«
    Er befreite gerade ein Tablett Kuchenteilchen von der Papierumhüllung.
    »Danke, Grappa.« Er sah mich an. »Du freust dich wohl nicht für mich?«
    »Für dich schon, aber nicht für mich.«
    »Verstehe.«
    »Weißt du schon, wer dein Nachfolger wird?«
    Peter Jansen verneinte.
    »Ab wann kann ich eigentlich Altersteilzeit beantragen?«, fragte ich.
    »Ach, Grappa. Gib der Neuen eine Chance.«
    »Der Neuen?«, entfuhr es mir.
    »Ja. Der Verleger will eine Frau. Sämtliche Headhunter stehen in den Startlöchern.«
    »Auch das noch!«
    »Wenn’s mit der Neuen gar nicht geht, denk an die städtische Pressestelle.«

     
    Den Kuchen gab es in der Konferenz zehn Minuten später. Jansen teilte nun offiziell mit, dass er in die Politik wechseln wollte. Die Reaktionen der Kolleginnen und Kollegen waren unterschiedlich. Sie reichten von guten Wünschen, die von Herzen kamen, bis zu desinteressierter Kenntnisnahme.
    Das Tagesgeschäft inklusive Terminverteilung rauschte an mir vorbei. Ich verzog mich in mein Büro.
    In meiner Handtasche klingelte es: Kleist.
    »Wir hatten gerade einen Haftprüfungstermin in Sachen Lindenthal«, berichtete er. »Der Richter hat den Haftbefehl aufgehoben.«
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, rief ich.
    »Leider ist es so. Angeblich besteht keine Fluchtgefahr. Und Lerchenmüllers Beschuldigungen reichen dem Haftrichter nicht aus. Lindenthal hat aber die Auflage, sich nicht aus der Stadt zu entfernen. Ich lasse sie außerdem observieren.«
    »Ich werde eine Meldung zu ihrer Freilassung verfassen«, kündigte ich an. »Gibt es was Neues zu der Maschinenpistole?«
    »Keine Beweise, dass Lindenthal oder Lerchenmüller die Waffe gekauft haben.«
    »Wo ist die Lindenthal jetzt?«
    »Moment.«
    Ich hörte ihn telefonieren.
    »Sie geht spazieren. Im Rombergpark.«
    »Allein?«
    »Noch ist sie allein«, antwortete Kleist.
    »Nicht mehr lange«, meinte ich grimmig.

     
    Lara Lindenthal saß dekorativ auf einer Bank, die von Rosenbeeten umgeben war. Die Beine übereinandergeschlagen, die ausgestreckten Arme auf der Lehne drapiert. Große Sonnenbrille, wuschelige Haare und ein perfekt geschminkter Mund.
    Ich musste an das Bild denken, das sie mit Rosen im Haar und gewagt gekleidet beim Kostümfest gezeigt hatte.
    Ich befand mich nicht in ihrem Blickfeld. Verstohlen sah ich mich um. Ich entdeckte keine polizeilichen Beschatter, was aber nicht hieß, dass sie nicht da waren.
    Entschlossen trat ich auf die Bank zu und setzte mich. »Hallo, Frau Lindenthal.«
    »Sie?« Lara Lindenthal nahm betont langsam ihre große Brille ab. »Sie werden es nicht glauben, aber ich habe gerade an Sie gedacht, Frau Grappa.«
    Sie wirkte keineswegs überrascht. Ihre Stimme klang souverän, fast ein wenig gelangweilt.
    »Wie schmeichelhaft«, entgegnete ich.
    »Das würde ich nicht so sagen.« Sie lächelte, aber es war kein ehrliches Lächeln.
    Ein leiser Wind kam auf und wirbelte die Blätter überreifer Rosen auf. Sie tanzten wie Schmetterlinge in der Sonne.
    »Ich machte mir gerade Gedanken darüber, wie ich Sie belangen kann. Zwar wird bei Ihnen ja nicht viel zu holen sein, aber bei Ihrem Verlag.«
    Sie pflückte ein rotes Rosenblatt von ihrem Oberschenkel und zerrieb es zwischen den Fingern.
    »Und wie heißt das Verbrechen, das ich begangen habe?«, fragte ich.
    »Es handelt sich um mehrere Verbrechen. Meine Anwälte werden sich schon etwas einfallen lassen. Es dürfte aber in die Richtung von Beleidigung, übler Nachrede, Bedrohung und so weiter gehen.«
    Ich seufzte. »Diese Verbrechen sind nichts gegen einen fünfzehnfachen Mord. Oh, nein – ich vergaß. Lerchenmüller kommt ja auch noch dazu. Also – sechzehn Morde.«
    »Haben Sie ein Aufnahmegerät bei sich? Oder hat man Sie verkabelt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Darf ich?« Sie wartete meine Antwort nicht ab, griff nach meiner Tasche und durchsuchte sie.
    Ich zog meine Jacke aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher