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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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einen Partner? Oder Kinder?«
    Sollte ich ihr antworten und eingestehen, daß ich nicht den traditionellen Weg einer Frau gegangen war? Sie würde nicht das geringste Verständnis dafür haben. Außerdem ging es sie nichts an. Aber ich wollte nicht noch unhöflicher sein.
    »Ich bin nicht verheiratet. Ich schlage mich als berufstätige Frau in einer schmutzigen, lauten, gefährlichen und verkommenen Welt allein durch. Ich hab dabei aber eine Menge Spaß. Ich helfe mir im Restaurant selbst aus dem Mantel, kann den Keilriemen an meinem Auto wechseln und bezahle meine Rechnungen selbst. Reicht das?«
    Sie lächelte etwas kläglich, so als würde sie mich insgeheim bedauern. »Aber du warst mal verheiratet, du trägst einen anderen Namen als früher.«
    »Ich habe kurz nach dem Abitur in Florenz einen Italiener geheiratet, doch die Ehe war nach ein paar Monaten zu Ende.«
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»Das tut mir leid. Willst du den Grund sagen, oder gibt es keinen?«
    »Und ob. Er hat zu viel geredet. Den meisten Männern steht es besser, wenn sie den Mund halten. Bis auf die, die wirklich etwas zu sagen haben!«
    »Was macht er heute?«
    Ich zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber - er war ein lebensfroher Mann, der bei den Damen gut ankam. Das hat sich bestimmt nicht geändert. Gut aussehend, charmant, zärtlich. Es gibt Frauen, die das honorieren.«
    Wir schwiegen uns ein paar Minuten an. Ich dachte plötzlich an einen sonnenumfluteten Hang, auf dem Zypressen wuchsen und an dessen Fuß ein junger Mann mit schwarzem Haar und bronzefarbenem Teint in den Armen einer rothaarigen Zwanzigjährigen lag, die erst aufwachte, als ihr Legionen von toskanischen Waldameisen auf der Nase herumspazierten.
    »Rita! Warum bist du hier? Wir hatten uns vor zwanzig Jahren schon nichts zu sagen, warum sollten wir also heute mit einem tiefsinnigen Gespräch beginnen?«
    »Du hast recht. Also komme ich zur Sache. Ich habe dir gesagt, daß ich verheiratet war. Bis vor zwei Wochen. Ich heiße also auch nicht mehr >Steiner<, sondern >Masul<. Rita Masul. Mein Mann John hat sich vom Dach des Verlagshochhauses am Hauptbahnhof gestürzt. Du hast es bestimmt in der Zeitung gelesen.«
    Ich war bleich geworden, mein Herz schlug bis zum Hals. Diese verdammte Geschichte, dieser verfluchte Traum - ich wurde beide nicht mehr los!
    »Und?« Ich tat cool. »Das tut mir leid für dich, aber was habe ich mit der Sache zu tun?«
    »Ich weiß, daß du eine gute Journalistin bist, die Sachen ermittelt, die sonst keiner herausbekommt. John ist nicht freiwillig gesprungen.«
    »Und? Warum kommst du damit zu mir?«
    »Ich habe immer mal wieder Artikel von dir gelesen. Die Sache mit dem Bauunternehmer, der die Stadt betrügen wollte,
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oder dem Arzt, der sich an kleinen Mädchen vergriffen hat. Also dachte ich, daß du ...«
    »Trage nicht ganz so dick auf, Rita!«
    Meine Laune besserte sich noch immer nicht. Vor allem war ich wütend auf mich selbst, denn die Neugier auf die Wahrheit grummelte in meinem Bauch. Irgend etwas stank hier zum Himmel!
    »Geh zu einem Privatschnüffler, der hat ganz andere Möglichkeiten als ich. Und vor allen Dingen viel mehr Zeit. Oder erzähle der Polizei von deinem Verdacht.«
    Doch sie ließ nicht locker. »Du glaubst doch selbst nicht, daß die Polizei die Sache untersucht! Ich will, daß du es tust! Es geht nicht nur um John. Hinter der Sache muß mehr stecken, viel mehr. Du sollst rauskriegen was. Mein Mann ist nicht freiwillig gesprungen, sondern man hat ihn dazu gebracht. Die Gründe - die sollst du herauskriegen.«
    Die Frau hatte Nerven. Ich lachte auf, schwankte zwischen Fassungslosigkeit und Beklemmung.
    »Sag mir bitte einen vernünftigen Grund, warum ich den Selbstmord deines Mannes untersuchen sollte!«
    »Daß du es nicht mir zu Gefallen tust, ist mir klar. Obwohl ich wenigstens Anspruch auf dein Mitleid hätte. Aber mit solchen Gefühlen hast du dich noch nie abgegeben, nicht wahr?«
    Sie guckte mich an. Zum ersten Mal hatte sie etwas Ehrliches im Blick. Endlich sagte sie wirklich, was sie von mir dachte.
    »Das Leben vergißt nichts«, sagte ich, »auch wenn es manchmal so scheint. Ich habe jahrelang nicht an unsere Schulzeit gedacht. Die Jahre waren tief vergraben in irgendeiner fernen Schublade meiner Erinnerung. Jetzt aber, wo ich dich sehe, weiß ich wieder alle Einzelheiten. Deine hilflos-naive Art, deine Intrigen, um bei den Paukern eine tolle Nummer abzuziehen. Du warst eine dämliche Petze, und niemand konnte
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