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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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zurück, die Eiseskälte wich.
    »Geht es wieder?« fragte er. Er hatte mich in die Arme genommen.
    »Es geht. Tut mir leid. Ich habe mich gehen lassen.«
    »Ich kann das verstehen. Der Film ist grauenhaft... Komm jetzt. Wir gehen und rufen die Polizei an. Die werden sich Mühlen und Wüsten schon schnappen.«
    Wir verließen das Büro und nahmen den Lift nach unten.
    Der Pförtner war wach.
    »Ist Herr Mühlen gerade bei ihnen vorbeigekommen?« fragte ich.
    »Herr Mühlen? Nein. War er denn oben?«
    Wir schenkten uns die Antwort und traten ins Freie. Die Luft war ein wenig abgekühlt. Eine frische Brise schlängelte sich zwischen City-Center und Hauptbahnhof hindurch.
    Ich wußte nicht, warum ich es tat, aber irgend ein Gefühl zwang meinen Blick nach oben.
    211
     

»Dort!« flüsterte ich. »Schau!«
    Auf dem Dach balancierte ein Mann. Er war kaum mehr als ein Schatten.
    »Wo? Ich sehe nichts.«
    »Mike! Schau auf die Leuchtschrift. Er klammert sich gerade an das kleine >e< des Wortes >Center<. Siehst du ihn jetzt?«
    »Das kann nur Mühlen sein! Was will er da oben? Wie ist er aufs Dach gekommen?«
    »Mit dem Schlüssel, den er Masul gegeben hat. Schau, er bewegt sich nach rechts!«
    Die Gestalt wechselte zum kleinen »n«, dann zum »t«.
    »Müssen wir nicht die Polizei rufen?« fragte Mike.
    »Das müssen wir nicht«, beruhigte ich ihn, »warum auch? Es ist doch nicht verboten, auf dem Dach von Hochhäusern frische Luft zu schnappen. Oder doch?«
    Wenige Sekunden später sahen wir den Schatten fallen. Der Körper drehte sich ein- oder zweimal, bevor er unten aufschlug. Gerade, als ein Zug mit viel Getöse in den Hauptbahnhof einfuhr.
    Ich atmete tief ein. Der Druck in meinem Brustkorb wich und machte Platz für ein warmes Gefühl der Genugtuung.
    »Eigentlich komisch«, sagte ich, »im Film stoßen die Springer immer einen schrecklichen Schrei aus. Hast du ihn schreien gehört?«
    Mike schüttelte den Kopf. Ich legte meine Wange an seine Brust und heulte ihm das Hemd naß.
    Vorletzter Ausklang: Sonne, Luft und Musik
    Elvis Wüsten wurde nach unserer Aussage bei der Polizei festgenommen. Die Beweise auf dem Videofilm waren eindeutig. Wenn er auch die Morde nicht begangen hatte, es blieb noch genug übrig, um ihn ein paar Jahre hinter Gitter zu schicken. Rudi Mühlen war nicht nur der Mörder von Elvira G., son212
     

dem hatte auch Rosemarie Ritzenbaum auf dem Gewissen. Das bewies der genetische Fingerabdruck, den die Polizei hatte anfertigen lassen.
    Einige Tage nach Mühlens Tod flog ich nach Italien. In einem Steinhaus in der Toskana spannte ich aus. Sonne, Luft und Musik und lange Spaziergänge machten aus mir wieder einen ausgeglichenen Menschen.
    Nach einer Woche hatte ich Heimweh nach Bierstadt. Ich wollte ins wirkliche Leben zurück.
    Als ich am Flughafen eintraf, erwarteten mich Mike, Bertha, Rita und Carola. Ich freute mich, sie alle zu wiederzusehen.
    Sie erzählten mir das Neueste. Vor einigen Tagen hatte es in Brokkolis Haus gebrannt. Dann ließen die Frauen Mike und mich allein. Auf der Fahrt zu meiner Wohnung wollte ich mehr über das Feuer wissen.
    »Brandstiftung«, berichtete Mike, »ganze Arbeit, sagt die Polizei.«
    »Und Brokkoli?«
    »Ist verschwunden. Die Polizei sucht ihn wegen der Verbreitung pornographischer Schriften. Außerdem wollen sie ihm Anstiftung zum Mord zum Nachteil von Rosemarie Ritzenbaum anhängen. Aber - sie finden ihn nicht. Vielleicht hat er sich endlich seinen Herzenswunsch erfüllt, hat einen Mitgliedsantrag bei der Mafia gestellt und ist nach Palermo abge-düst.«
    Ich nahm mir vor, irgendwann im »Pinocchio« danach zu fragen. Aber - es eilte nicht. Zunächst muß ich in Bierstadt wieder Boden unter die Füße kriegen, dachte ich.
    »Was ist aus Betty Blasius geworden?« fragte ich.
    »Sie hat gekündigt. Mehr weiß ich nicht.«
    Ich schaute Mike an. Er war doch ein netter Mann, ich hatte es fast vergessen.
    Wir erreichten meine Wohnung. Bertha hatte eingekauft und meinen Kühlschrank aufgefüllt. Ein großer Asternstrauß stand auf dem Tisch.
    213
     

Die Zeit der Hyazinthen ist leider vorbei - stand auf dem Zettel neben der Vase.
    Ich öffnete die Flasche Champagner, die im Sektkühler wartete. Wir stießen an.
    Mike rückte näher. Sein Atem streifte meine Wange. »Ich habe dich vermißt.«
    »Ich dich auch. Du hast mir sehr geholfen in der letzten Zeit.«
    »Nur deshalb?«
    »Was willst du hören?«
    »Daß ich der hinreißendste und attraktivste Mann bin,
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