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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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Stunden gedauert.«
    198
     

»Haben Sie ermittelt, wo sie getötet worden ist?«
    »Frau Grappa, es tut mir leid, aber wir haben nicht viel herausbekommen. Die Frau war als Prostituierte registriert.«
    »Na und? Wollen Sie damit sagen, daß sich der Aufwand nicht gelohnt hätte?« fragte ich bitter.
    »Das will ich damit nicht sagen. Aber es ist nun mal eine Tatsache, daß Frauen in diesem Milieu wesentlich gefährdeter sind als andere weibliche Wesen. Das Umfeld ist bereits kriminell durchsetzt. Die Täter sind schwieriger zu ermitteln, weil diese Frauen nicht nur einen Sexualpartner haben. Die Tote war außerdem in der Szene dafür bekannt, daß sie riskante Dinge mit noch riskanteren Freiern trieb und dafür ziemlich viel Geld bekam.«
    »So ein Quatsch! Das Mädchen hatte noch nicht mal eine eigene Wohnung, sondern war bei einer Kollegin untergekrochen. Was ist mit ihrem Zuhälter? Haben Sie den vernommen?«
    Brinkhoff blätterte und sagte dann: »Ich finde kein Vernehmungsprotokoll. Wer ist denn dieser angebliche Zuhälter?«
    »Alfons Lallensick. Aber er nennt sich Brokkoli.«
    »Ach der! Wir haben ein paar Mal versucht, ihn wegen Zuhälterei vor Gericht zu bringen - leider ohne Erfolg.«
    »Haben Sie gewußt, daß das Mädchen einen festen Freund hatte?«
    »Nein. Die Akte ist abgelegt worden, nachdem der Staatsanwalt die Leiche freigegeben hat.«
    »So einfach ist das also!« rief ich aus.
    Er fühlte sich angegriffen und klappte die Akte zu. »Kennen Sie das Sprichwort >Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um    Ich schwieg. Es hatte keinen Sinn, ihn über die Gleichwertigkeit von Menschenleben belehren zu wollen. Der Mann hatte in der Mordkommission zuviel erlebt, um für ethisch-philosophische Anschauungen noch empfänglich zu sein. Aber eine Frage hatte ich doch noch: »Wo ist sie begraben worden?«
    199
     

»Man hat sie verbrannt. Die Asche wurde in einer Urne nach Polen geschickt.« Er sagte es so, als sollte ich mich schleunigst auf den Weg durch die Tür machen.
    Ich stand auf. »Vielen Dank für Ihre Hilfe! Gibt es wenigstens etwas Neues im Mordfall Ritzenbaum?«
    »Auch wenn Sie die Polizei jetzt vermutlich für völlig vertrottelt halten«, antwortete Brinkhoff leicht verschnupft, »auch hier fehlen Mörder und Motiv. Ach ja - wir haben wenigstens einen genetischen Fingerabdruck aufgrund der Spermaspuren anfertigen lassen.«
    »Gut! Dann müssen Sie ja nur noch den passenden Mann dazu finden!«
    »Fast richtig, Frau Grappa! Aber nur fast! Denn wer sagt uns, daß der Mann, mit dem Frau Ritzenbaum sexuell verkehrt hat, auch der Mörder ist?«
    Schreie in der Nacht
    Ich schlief kaum in dieser Nacht. Meine Phantasien waren schrecklich. Als ich im Morgengrauen aufwachte, hatte ich statt eines Herzens ein tiefes blutiges Loch in meiner Brust. Die Schreie, die ich in der Nacht immer wieder gehört hatte, waren verstummt. Stattdessen eine traurige Leere in mir. Ich konnte kaum atmen. Regungslos lag ich im Bett und starrte an die Decke. Ich war fertig.
    Ich raffte mich auf und wählte Berthas Telefonnummer. Sie war wenige Minuten später da, setzte sich an mein Bett und hielt meine Hand. Ich erzählte ihr alles.
    »Deine Phantasie macht dich seelisch krank«, stellte sie fest, »Grappa, wo ist dein Schneid geblieben? Was willst du tun?«
    »Ich werde die Sache zu Ende bringen. Schnell und korrekt. Ich weiß, daß ich es jetzt kann. Besser als vor dieser Nacht. Das Spiel ist vorbei. Zum ersten Mal denke ich nicht mehr an die Story als Thema eines journalistischen Produktes. Das ist mir
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scheißegal. Ich will die Bande zur Strecke bringen. Und wenn das das letzte Ziel ist, das ich mir im Leben setze!«
    »Gut!« lobte Bertha. »Aber paß auf, daß dein Haß dich nicht auf den falschen Weg führt. Bitte, Grappa, dreh nicht durch! Willst du mir das versprechen?«
    Wie sie da saß! Alt und mager zwar, doch mit wachen, guten Augen, die nicht in sich selbst, sondern auf andere blickten. Sie hatte eine menschliche Größe, die ich nie würde erreichen können. Meine Gefühle waren immer gleich so bombastisch und laut, meine Handlungen von Narzißmus und Ehrgeiz geprägt. Meine Unvollkommenheit war mir nie so deutlich geworden wie gerade jetzt.
    Ich legte meine Hand an Berthas Wange und sagte: »Ich liebe dich. Was sollte ich nur ohne dich machen?«
    »Penne« im Haar und ein großes Stück
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