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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu
Autoren: Jaroslav Rudis
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DIE LETZTE AM TAG
    I hre Körper berühren sich nicht. Sie liegen nebeneinander und blicken an die Decke. Hinter den Fenstern Prag, Stille und Dunkelheit. Petr steckt sich eine letzte Zigarette an.
    »Laut soll die Musik sein. Richtig laut. Das ist das Wichtigste. Damit alles andere untergeht. Aus der Welt verschwindet. Und endlos lang soll sie sein. Lang, heftig und ohne Ende. So laut wie möglich. So will ich es bei meiner Beerdigung haben«, sagt Vanda.
    »Welche Band schwebt dir da vor?«
    »Jeden Morgen ’ne andere.«
    »Ich verstehe.«
    »Am wichtigsten ist die Lautstärke. Alles, was nicht laut ist, existiert nicht.«
    »Jetzt ist es aber still. Stiller geht’s gar nicht.«
    Petr fährt mit der Hand über Vandas Haar.
    »Nur Stille allein gibt’s nicht. Irgendwo läuft immer was. Hörst du das nicht?«
    »Nein.«
    »Wirklich nicht?«
    Vanda stimmt stockend ein langsames Lied an, die Melodie fischt sie aus der schlafenden Stadt hinter den Fenstern heraus.
    I feel like … I feel like …
    A little black cat …
    I feel like … I feel like …
    I’m lost in no-man’s-land …
    »Hörst du das wirklich nicht?«
    »Nein.«
    »Ich schon. Ich höre dauernd Musik.«
    »Aber jetzt ist es still.«
    »Ich hab doch gesagt, dass ich was höre. I feel like …«
    »Ich hör nur dich.«
    »Stille macht mich krank.«
    »Vielleicht spielt die Musik in dir.«
    Petr legt den Kopf auf Vandas Brust und lauscht. Ihr Herz schlägt. Sie riecht gut. Auch das, was sie heute Nacht miteinander gemacht haben, riecht gut an ihr.
    »Hübsches Techno … 1000 Beats pro Minute. Dein Herz ist dein DJ. Ist wie bei der Loveparade. Nur ohne Gesang.«
    »Techno, hast du Techno gesagt? Techno ist tot, du Idiot.«
    »Find ich nicht, man braucht nur an dir zu horchen.«
    »Tot hab ich gesagt. Und tot bin ich noch lange nicht.«
    Er küsst zuerst ihre linke Brust und dann die rechte, die etwas kleinere. Bei allen Frauen, mit denen er mal was gehabt hat, war die rechte Brust etwas kleiner. Dann küsst er das Muttermal dazwischen.
    »Wie fühlt sich das an?«
    »Deine Brüste zu küssen?«
    »An meinem Herzen zu horchen!«
    »Lang.«
    »Wie: lang?«
    »Wie ein unendlich langer, fließender Song.«
    »Kein Techno?«
    »Genau die Art Song, die du haben willst.«
    »Ich will es auch mal hören.«
    Er streichelt sie.
    Oben. In der Mitte. Unten.
    Eine Weile lässt sie es zu.
    Sie stöhnt. Noch einmal. Als er nach ihrer Pobacke fasst, bewegt sie das Becken. Dann aber schiebt sie seine Hand auf die Bettdecke zurück.
    »Schluss.«
    »Woher weißt du, dass ich was wollte?«
    »Wir kennen das Spiel. Die Frau wird nur benutzt. Und ausgenutzt.«
    »Das musst ausgerechnet du sagen.«
    Vanda steht auf und geht zu dem beleuchteten Aquarium, das auf einem niedrigen Tisch steht, auf den in anderen Wohnungen eher der Fernseher gestellt wird. Sie klopft an die Glasscheibe, um den kleinen dicken Fisch zu begrüßen, der auf sie zugeschwommen kommt, und setzt sich auf den Parkettfußboden. Sie ist nackt, und die beleuchteten Pflanzen und Wasserbläschen im Aquarium werfen gelbe zitternde Lichtstreifen auf sie. Vanda sieht aus wie ein kleines Wasserzebra, das sich im tiefen, dunklen Ozean verlaufen hat. Sie ist nicht mehr die traurige, patzige junge Frau mit den schwarz gefärbten Haaren und der frischen Schultertätowierung, die Petr vor ein paar Stunden kennengelernt hat. Aus dem Nebenzimmer kommt Malmö und stupst sie gähnend mit der Schnauze an. Vanda krault sie zwischen den Ohren und Malmö streckt sich neben ihr aus.
    Petr findet den eintätowierten Text auf Vandas Schulter etwas albern, aber er sagt nichts. Er stellt sich nur vor, wie Vanda älter wird. Wie sie in zehn Jahren aussieht. In zwanzig. In fünfzig. Und wie er dann aussieht, falls er überhaupt noch irgendwie aussieht.
    »Der älteste Fisch der Welt. Ein Geschenk von meiner Oma. Er ist hundert Jahre alt«, sagt Petr und drückt die Zigarette aus.
    »Woher weißt du, dass es ein Er ist?«
    »Nur Männchen tragen Schleier. Je länger, desto älter sind sie. Und erfahrener.«
    »Heftig. Ein Typ mit ’nem Schleier. Wie heißt er denn?«
    »Nestor.«
    »Und das Schiff hier? Hat es auch hundert Jahre auf dem Buckel?« Vanda zeigt auf das kleine Plastikspielzeug auf dem Boden des Aquariums.
    »Das ist kein Schiff.«
    »Also ein U-Boot.«
    »Das ist ein Bathyscaphe. Mit dem ist mal einer bis auf den Meeresgrund getaucht.«
    »Darf man ihn füttern?«
    »Er ist zu fett.«
    »Ein kleines bisschen
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