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Grappa 09 - Grappa-Baby

Grappa 09 - Grappa-Baby

Titel: Grappa 09 - Grappa-Baby
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Liesel-Libussa
    Auf dem Flur war Ruhe eingekehrt. Er sah sich um, wagte kaum Luft zu holen, versuchte, zwei, drei Sekunden in die Zukunft zu schauen, dann wüsste er, ob ihn jemand beobachten und später würde identifizieren können. Doch niemand war da. Er tat einen energischen Schritt vorwärts zur Tür, drückte sie auf. Die junge Frau lag allein im Zimmer. Die Nachttischlampe war abgedunkelt, die Fenster verhangen. Er trat näher. Sie gab keine Reaktion von sich, wie auch? Seine Hand griff nach der Bettdecke, zog sie zurück. Er atmete schwer, als er ihr Nachthemd hochschob.
    »So kannst du das nicht schreiben«, meinte mein Freund Nik.
    »Ich mag's nicht, wenn mir jemand beim Arbeiten über die Schulter guckt«, maulte ich.
    »Da läuft einem ja der Grusel den Rücken runter«, setzte er nach.
    »Du kannst die Leute nur noch packen, wenn du ihre niedrigsten oder hehrsten Gefühle erwischst«, dozierte ich. »Willst du, dass ich deinem Freund helfe, oder soll ich's lassen?«
    »Okay«, lenkte Nik ein. »Du bist der Profi. Aber lass wenigstens den letzten Satz weg. Damit die Perversen sich nicht aufgeilen. Frank hat es ohnehin schwer genug.«
    »Gut.« Ich löschte den letzten Satz wieder. »Ist Wein da?«
    »Wein ist doch immer da.« Nik sprang auf und eilte in die Küche.
    Sekunden später stand er mit einem gefüllten Glas wieder vor mir.
    »Danke, Schatz«, gurrte ich. »Ich mag aufmerksame Männer, die genau wie ich dem Alkohol verfallen sind.«
    »Sei ehrlich, Grappa-Baby«, grinste er, »du magst eigentlich nur Männer, die dich rund um die Uhr bedienen.«
    »Kann sein.« Ich stellte den PC aus. »Doch für einen Butler bist du noch ein bisschen zu jung und zu wenig devot. Du gibst manchmal zu viele Widerworte. Da müssen wir noch ein bisschen was dran tun.«
    »Jetzt gleich?«
    Ich lachte. »Verlockende Vorstellung. Aber – lenk mich nicht ab. Wir essen eine Kleinigkeit, und dann muss ich wieder an die Arbeit.«
    Nik deutete eine Verbeugung an. »Es ist bereits serviert, Madame!«
    Ich tänzelte zum Esstisch, auf dem sich zahlreiche Köstlichkeiten aus dem Delikatessenladen tummelten. Nik hatte sie possierlich drapiert. Wir setzten uns.
    Ich betrachtete ihn. Eigentlich wollte ich nie mit einem Mann zusammenleben. Doch bei ihm hatte ich nicht widerstehen können. Manchmal, nachts, wenn ich neben ihm lag und ihn atmen hörte, überlegte ich, wie lange ich wohl glücklich sein würde. Ein Jahr? Oder zwei? Bestimmt nicht länger.
    »Wie werden eigentlich Koma-Patienten ernährt?« Nachdenklich schob ich mir ein mariniertes Artischockenherz zwischen die Zähne.
    »Die kriegen irgendwelche Flüssigkeiten eingeflößt«, antwortete mein Freund, während er seinen Blick über die verschiedenen Salate schweifen ließ. »Mir wär's aber lieber, wir würden das Thema jetzt lassen.«
    »Du hast mal wieder recht, Süßer«, seufzte ich. Ich griff nach der letzten frischen Feige, biss ein Stück ab und reichte sie Nik. »Iss, mein Schatz, du musst noch wachsen.«
    In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Nik wollte aufstehen, doch ich hielt ihn zurück. »Lass uns erst mal hören, wer dran ist.«
    Der Beantworter erzählte mit meiner Stimme, dass der Anrufer die Nummer von Maria Grappa und Nik Kodil gewählt hatte, dass beide nicht zu Hause seien und er eine Nachricht hinterlassen solle – nach dem Piepston.
    »Hallo, Nik, hier ist Frank. Geh bitte dran, wenn du zu Hause bist! Bitte, es ist dringend.«
    Nik hob den Hörer ab, lauschte und sagte dann: »Okay, bis gleich.«
    »Kommt er her?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Na, dann ade, schöner Sonntagabend.«
    »Grappa! Ich kann ihn nicht hängen lassen!«
    »Weiß ich doch«, murmelte ich. »Du hast ein gutes Herz. Zu gut. Deshalb mag ich dich ja.«
    Ich räumte ein paar Sachen vom Tisch, ließ nur Wein, Wasser, Brot und Oliven stehen.
    Seit vier Wochen lebten Nik und ich zusammen, seit genau drei Wochen hatte er diesen Frank Faber an der Hacke. Ein Fall von Männerfreundschaft. Und seit genau drei Wochen war es mit unserem harmonisch-ruhigen Leben vorbei. Stundenlange Telefontherapie, Betreuungsabende, Aufarbeitungsgespräche. Klar, der Mann hatte viel mitgemacht: einen üblen Autounfall, an dem er schuldig war und bei dem seine Frau Kristin schwer verletzt wurde. Fünf Monate lag sie nun schon im Koma, und die Ärzte wussten nicht, ob sie jemals die Augen würde wieder aufmachen können.
    Frank und Nik waren seit ihrer gemeinsamen Schulzeit Freunde. Sie hatten sich
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