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Grant County 05 - Gottlos

Grant County 05 - Gottlos

Titel: Grant County 05 - Gottlos
Autoren: Karin Slaughter
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Eindruck machst du aber gar nicht.»
    «Sicher fängt es gleich an zu regnen.»
    Der Himmel war bedeckt, aber Sara hatte in den Nachrichten gehört, dass es frühestens am Nachmittag regnen würde. «Komm schon», sagte sie und schmiegte sich an ihn, um ihn zu küssen. Als sie merkte, dass er immer noch zögerte, wich sie zurück. «Was hast du denn?»
    Er trat einen Schritt weg von ihr und blickte hinaus auf den See. «Ich habe dir doch gesagt, dass ich müde bin.»
    «Du bist nie müde», erwiderte sie. «Jedenfalls nicht, wenn es darum geht.»
    Er machte eine vage Handbewegung zum See. «Es ist eiskalt hier draußen.»
    «So kalt ist es auch wieder nicht», sagte sie, und plötzlich war das alte Misstrauen wieder da und kroch ihr den Rücken herauf. Nach fünfzehn Jahren kannte sie Jeffrey in- und auswendig. Wenn er ein schlechtes Gewissen hatte, zupfte er sich am Daumennagel, und wenn ihn ein Fall beschäftigte, kratzte er sichan der rechten Augenbraue. Nach einem besonders harten Tag war er einsilbig und ließ die Schultern hängen, bis sie ihn dazu brachte, darüber zu sprechen. Der Zug, den sie jetzt um seinen Mund sah, bedeutete, dass er ihr etwas zu beichten hatte, aber sich entweder nicht traute oder nicht wusste, wie er es sagen sollte.
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust. «Was ist los?»
    «Nichts.»
    «Nichts?», wiederholte sie und starrte Jeffrey an, als könnte sie die Antwort aus ihm herauspressen. Er biss sich auf die Lippen und begann, am linken Daumennagel zu zupfen. Plötzlich hatte sie ganz eindeutig das Gefühl, dass sie das hier schon einmal erlebt hatte, und die Erkenntnis traf sie wie ein Presslufthammer. «Ach, verdammt.» Sie schnappte nach Luft, als sie mit einem Mal begriff. «Verdammt nochmal.» Sie legte sich die Hand auf den Bauch, um die Übelkeit zurückzuhalten, die in ihr aufstieg.
    «Was?»
    Sie machte auf dem Weg kehrt, kam sich dumm vor und war zugleich wütend auf sich selbst. Davon wurde ihr so schwindelig, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
    «Sara …» Jeffrey legte die Hand auf ihren Arm, aber sie stieß ihn weg. Er lief ein paar Schritte voraus und stellte sich ihr in den Weg, zwang sie, ihm ins Gesicht zu sehen. «Was ist denn los?»
    «Wer ist es?»
    «Wer ist wer?»
    «Wer ist
sie
? Wer ist es diesmal, Jeffrey? Die vom letzten Mal?» Sie biss die Zähne so fest aufeinander, dass ihr die Kiefer schmerzten. Es passte alles zusammen: sein abwesender Blick, die abwehrende Haltung, die Distanz zwischen ihnen. Diese Woche hatte er jeden Abend eine anderen Vorwand gehabt, nicht bei ihr zu übernachten: Er musste Umzugskartons packen, er musste Überstunden machen, die verdammte Küche fertigbauen, die er seit fast zehn Jahren renovierte. Jedes Mal, wennsie sich ihm öffnete, jedes Mal, wenn sie aus der Deckung kam und sich wohlzufühlen begann, fand er einen Weg, sie von sich zu stoßen.
    Sara drückte sich klarer aus. «Welche Schlampe vögelst du dieses Mal?»
    Er trat einen Schritt zurück, die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. «Du glaubst doch nicht …»
    Sie spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen, und begrub das Gesicht in den Händen, um sie zu verbergen. Sie war so wütend, dass sie ihn am liebsten mit bloßen Händen erwürgt hätte. «Gott», flüsterte sie. «Ich bin so blöd.»
    «Wie kannst du nur so was denken?», fragte er voller Entrüstung.
    Sara ließ die Hände sinken, es war ihr egal, ob er die Tränen sah. «Tu mir einen Gefallen, ja? Lüg mich dieses Mal nicht an. Wag es ja nicht, mich anzulügen.»
    «Ich lüge dich nicht an», beharrte er empört und klang dabei fast so aufgebracht, wie sie es war. Allerdings hätte sie seinen empörten Tonfall überzeugender gefunden, wenn er die gleiche Show nicht schon mal abgezogen hätte.
    «Sara …»
    «Lass mich in Ruhe», knurrte sie und marschierte zum See zurück. «Nicht zu fassen. Nicht zu fassen, wie blöd ich bin.»
    «Ich betrüge dich nicht», rief er und lief hinter ihr her. «Hör zu, okay?» Er versperrte ihr den Weg. «Ich betrüge dich nicht.»
    Sara blieb stehen und funkelte ihn an. Sie wünschte, sie könnte ihm glauben.
    Er sagte: «Sieh mich nicht so an.»
    «Ich weiß nicht, wie ich dich sonst ansehen soll.»
    Er seufzte laut, als laste ein riesiges Gewicht auf seinen Schultern. Für jemanden, der seine Unschuld beteuerte, hatte er ein ziemlich schlechtes Gewissen.
    «Ich gehe jetzt zum Haus zurück», sagte sie, doch als sie ihnansah, entdeckte sie in
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