Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache
Autoren: Martin Ruetter
Vom Netzwerk:
U nd? Was wirst du machen?«, fragte Alex, der neben ihm her rannte. Es war ein Dienstag im März. Die Luft war an diesem Vormittag unerwartet kalt, aber sie roch nach Frühling und Aufbruch.
    »Ich weiß es nicht.« Mattes wusste es wirklich nicht. Sie befanden sich auf ihrer zweiten Runde um den See, und er hatte sich vorgenommen, bis zur Ankunft auf dem Parkplatz die Entscheidung über den weiteren Verlauf seines Lebens getroffen zu haben. Seit gestern Vormittag überlegte er daran herum. Leider begeisterten ihn die Auswahlmöglichkeiten nicht sonderlich. Er fühlte sich wie mit Los Nummer 27 am Tombola-Tisch des örtlichen Schützenvereins, bei dem er sich zwischen gehäkelten grünen Topflappen mit Schützenverein-Emblem oder einem Zinnbecher mit Geweihprägung entscheiden musste. Nichts sah wirklich verlockend aus, und auf jeden Fall war alles weit entfernt vom Hauptgewinn. Es ging um eine Stelle. Er hatte zwar einen Job, aber als mehr konnte er seine tägliche Arbeit wirklich nicht bezeichnen, denn es war nicht annähernd das, was er sich beruflich als Ziel gesetzt hatte. Wenn er es genau betrachtete, konnte er es nicht mal mehr als eine Art Vorstufe sehen, denn Berichte über Goldhochzeiten und kleine Empfänge im Rathaus, die er als freiberuflicher Redakteur für das Stadtteilmagazin schrieb, waren nicht der direkte Weg zum Chefsessel der ZEIT, den er anstrebte. Gleich nach dem Abi war er frisch und unbeirrt gestartet, aber der Weg erschien ihm inzwischen lang, und er hatte jetzt schon ziemlich viel Zeit knapp hinter der Startlinie vertrödelt. Am Ende lag aber immer noch das Ziel und wartete auf ihn – redete er sich jedenfalls ein.
    Alex grinste: »Wolltest du nicht immer Chefredakteur werden? Ich hör dich das seit zwanzig Jahren sagen.«
    »Ja«, sagte Mattes und versuchte ihn mit der Faust am Oberarm zu treffen. Alex wich lachend aus, bis Mattes es aufgab und stöhnte: »Ich wäre ein perfekter Chefredakteur. Aber doch nicht bei einem Hundemagazin! Sehe ich aus wie ein Typ, der seine Zeit beim Schäferhundverein verbringen will?« Er kommandierte übertrieben laut und herrisch: »Sitz! Platz! Aus!!«, was ihm wegen der Lautstärke einige verwunderte Blicke anderer Parkbesucher einbrachte, und seufzte: »Ich bin der Mann für Politik, Sport und Kultur. Nicht für Dosenfutter und Hundekörbchen.«
    Sie fielen in ein langsames Tempo und blieben stehen, als sie am Bootssteg angekommen waren. »Warum nicht ein Hundemagazin?«, fragte Alex und machte ein paar Dehnübungen. »Schlechter als das, was du jetzt machst, kann es nicht sein. Seit Sarah dich rausgeschmissen hat, baust du ab.«
    »Sie hat mich nicht rausgeschmissen, wir haben uns getrennt«, stellte Mattes richtig.
    Alex nickte: »Das kann ich gut verstehen. Erstaunlich genug, dass sie dich so lange ertragen hat. Aber jetzt bist du raus, und sie hat die Wohnung behalten. Im Gegensatz zu dir kann sie sich die auch leisten.«
    »Du redest schon wie sie«, sagte Mattes und richtete sich auf.
    »Ach, komm«, feixte Alex. »Mit deiner Hundeerfahrung bist du genau der Richtige für ein Hundemagazin.«
    »Einen verfressenen Hund zu haben bedeutet keine Hundeerfahrung.«
    »Ich mein doch nicht Mina, ich denke an Arco.«
    »Arco!«, stöhnte Mattes und erinnerte sich schlagartig an das gelbe Gebiss und die gefletschten Zähne. Und sofort hatte er auch die Erinnerung an die grummelnde Angst im Bauch, die er als Kind vor diesem Hund gehabt hatte. »Arco war kein Hund, das war ein neurotisches Pudelmonster«, sagte er. Alex lachte: »Ich hatte so einen Schiss! Ich bin niemals wieder mit zu deiner Tante Thea gekommen. Hast du kein Foto von Arco, wie er an der Tür steht und seine Zähne zeigt? Das musst du in der Redaktion vorlegen, dann hast den Job, weil du ihn überlebt hast!« Er streifte sich seinen Pullover über und strich sich mit den Fingern durch die Haare, um sie wieder in Form zu bringen. »Wie viele Menschen hat Arco eigentlich zerfleischt?« Mattes schüttelte den Kopf: »Gar keinen. Aber das kann echt nur Zufall gewesen sein. Das Biest war völlig gestört.« Alex klimperte mit seinem Autoschlüssel: »Morgen rufst du mich an und sagst, was du machen wirst!«
    »Vielleicht will ich den Job gar nicht.«
    »Auch gut. Aber entscheide dich!«
    Mattes setzte sich in sein Auto und fuhr nach Hause. Nach Hause? Es war das Zuhause seiner Schwester, die ihm großzügigerweise die Einliegerwohnung im Keller angeboten hatte, nachdem seine Freundin Sarah eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher