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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache
Autoren: Martin Ruetter
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reichten. Es gab genug Leute, die seit Stunden zwei Meter unter dem Chlorwasserspiegel auf dem Grund des Beckens lagen und von der Badeaufsicht angeblich nicht bemerkt worden waren, obwohl tauchende Kinder mehrfach auf »den Mann da unten« hingewiesen hatten. Oder andere, die beim Gehen auf den nassen Fliesen ganz zufällig und ohne Fremdeinwirkung ausrutschten und mit dem Hinterkopf genau auf die Kante eines Startblocks knallten, was unschöne Blutspuren im Schwimmbad und einen Genickbruch mit sich brachte. Inwieweit die Opfer sich zuvor mit dem Bademeister angelegt hatten, entzog sich seinem Wissen. Aber vermutlich gab es da Zusammenhänge. Nahezu alle Bademeister dieses Landes, wenn nicht sogar der ganzen Welt, waren höchstwahrscheinlich in mafiaähnlichen Strukturen organisiert.
    Beruflich stand er also immer noch am Anfang. Finanziell und gesellschaftlich auch. Das hatte er sich vor zwanzig Jahren anders vorgestellt. In der Oberstufe schrieb er nur glänzende Aufsätze, die regelmäßig in der Schülerzeitung veröffentlicht wurden und ihn auf einer Welle der Zustimmung und Begeisterung surfen ließen. Im Abitur dann die erwartete Eins in Deutsch und ein anerkennender Handschlag des Direktors. Danach eine Ausbildung zum Journalisten. Alles wies auf einen geraden und stolperfreien Weg zum Ziel hin. Gut, die fünf Jahre beim Frauenmagazin ›Der rote Teppich‹ waren ein kleiner Umweg gewesen, aber es gab damals eben gerade keine freien Stellen bei seinen bevorzugten politischen Blättern. Er hatte immer großspurig behauptet, dass er einen Einblick in die Klatsch- und Tratschwelt bekommen wolle, um dann die vielfältigen Verflechtungen schonungslos aufzudecken. In stillen Momenten, die er nach Möglichkeit vermied, die ihn aber immer mal wieder überfielen, hatte er das dumpfe Gefühl, dass seine Berichte über Schlagersternchen und Beziehungsdramen die bisher hochwertigsten Arbeiten waren. Abgesehen vom Schwimmbadskandal, der sich aber erledigt hatte, ehe er richtig aufgedeckt war. Aber wer wollte sich schon mit der in allen Ländern der Welt verstreuten Bademeistermafia anlegen?
    Seit gestern hatte er eine Möglichkeit zur beruflichen Veränderung. Ein Schritt zum Chefsessel, auch wenn sich in ihm das unbestimmte Gefühl breitmachte, dass es nicht wirklich in die richtige Richtung ging. Im Prinzip schon, dann aber quasi doch nicht. Der nach seinem Gefühl schon lange überfällige Anruf mit dem Angebot des Chefredakteurpostens war endlich eingegangen. Leider kam es von einem miesen, kleinen Hundemagazin, das er zwar schon mal am Kiosk gesehen, aber nicht mal einer genaueren Ansicht für wert befunden hatte. Der Anruf hatte ihn mittags erreicht, als er gerade bei einer ersten Tasse Kaffee am Tisch saß und mit dem Messer die schwarzen Kokelstellen vom Brötchen schrubbte. Er hasste es, dass labberige Vortagsbrötchen beim Aufbacken auf dem Toaster immer verbrannte Stellen bekamen, seit er dieses seltsame Brötchen-Aufback-Metallgerüst zum Aufsetzen auf den Toaster verloren hatte. Vermutlich lag das jetzt bei Sarah, die damit den unerhörten Luxus von zwei Brötchen-Aufback-Metallgerüsten hatte. Und er hasste es, wenn er nicht mal in Ruhe frühstücken konnte. Als das Telefon klingelte, war er nicht gerade bester Laune.
    »Ja?«, brummte er abwehrend in den Hörer.
    »Herr Reuter?«
    »Ja.«
    »›Hassos Herrchen, Finas Frauchen‹. Althoff.«
    »Wie bitte?«
    Die Frau am anderen Ende der Leitung merkte sofort, dass er etwas länger brauchte.
    »Mein Name ist Althoff. Vom Hundemagazin ›Hassos Herrchen – Finas Frauchen‹. Sie haben von uns gehört?«
    »Nein«, brummte Mattes. Was wollte die von ihm? Ein Abonnement dieser blöden Hundezeitung verkaufen? Woher wusste sie, dass er einen Hund hatte? Abweisend sagte er: »Mein Hund liest nicht.«
    »Es geht nicht um Ihren Hund, es geht um Sie.«
    »Ich lese auch nicht.«
    Erstaunlich, wie schlagfertig er ohne Frühstück war. Oder kam es ihm nur schlagfertig vor, weil er noch kein Frühstück hatte? Wenn es nach ihm ginge, würde er jetzt auflegen und seinen Kaffee trinken. Er stockte. Was sagte sie gerade?
    »Aber Sie schreiben, Herr Reuter. Und das brauchen wir.«
    Jetzt wurde es zum ersten Mal interessant. Die resolute Frauenstimme stellte ihm kurz und knapp die Möglichkeit einer Anstellung als Chefredakteur in Aussicht und bat ihn, sich bei Interesse am nächsten Tag persönlich vorzustellen.
    »Wie kommen Sie auf mich?«, fragte Mattes verwirrt, aber
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