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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Erster
Teil
Elsas
Klientel
Wartezimmer
    Pratz, der Schwerenöter? Frau Wäns? Der gute Mensch und Plattfüßler Dillburg?
    Elsa Gundlach hat zur Aufheiterung ihrer teilweise schwer geplagten Klienten für jeden Montagmorgen einen frischen Strauß in Auftrag gegeben. Pünktlich nach einer Woche ist er welk und wird weggeworfen. Immer passen die Blumenarrangements in der Moritzstraße 13 zur Jahreszeit. Die meisten der vielfach und variantenreich verbogenen Zeitgenossen wissen das zu schätzen, auch wenn sie sich oft nur ein paar Minuten gedulden müssen, bis ihnen Elsa, stets in rigorosem Weiß wie ihr Wartezimmer, mit Massagen und Turnübungen zu Leibe rückt. Des schönen Namens wegen würde Elsa es gern einmal mit der strategisch raffinierten Osterluzei versuchen, aber die Leute kennen die Pflanze nicht, und ohne das Wort nutzt sie ihnen nichts. Sie ist unansehnlich.
    Für den, der den Zuspruch des Floralen nicht bemerkt, liegen natürlich die üblichen Illustrierten mit den unverwüstlichen Rätselecken in ordentlichen Stapeln bereit, allerdings nicht zuverlässig in den neuesten Ausgaben und manchmal mit verräterisch aufgequollenen Seiten. Den Männern würde die Vorstellung, daß die sommersprossige Elsa die Zeitschriften vorher in der Badewanne in den Händen gehalten hat, sehr gefallen.
    Da die Therapeutin genaue Termine abmacht, befinden sich selten zwei Leute gleichzeitig im Raum. Für Elsa dagegen ist das Kabinettchen immer gefüllt. Sie sieht sie alle dasitzen, den noblenHerrn Brück und die kleine Ilse, Herrn Fritzle (Rosennarr, Schachspieler, auch ehemaliger Holzkaufmann, der im Ratzeburger Goldachter dabei war), Jan Sykowa mit dem großen Kopf, den fröhlichen Bergwanderer Herbert Wind, den tapfer kämpfenden Alex und die verschlossene Eva Wilkens, die rotzfreche Katja, Martha Bauer, Herrn Pratz, berühmt und launisch, und die anderen, deren Namen sie vergessen oder gerade nicht parat hat. Waren darunter nicht, ganz am Rande, eine etwas verrückte Frau Schroberer oder Schreiber, nein, Elisabeth Schneider und ein sporadischer Menschenhasser, der sich Graf Otto nannte? Elsa sieht sie vor sich mit ihren Verspannungen und Verkrampfungen, ob sie in Wirklichkeit längst geheilt sind oder nicht, ob sie noch hier wohnen oder seit Jahren in einer anderen Stadt. Sie zeigen sich mit Reifen und Theraband, auf dem großen Ball wie der Baron von Münchhausen durch den Raum hüpfend (etwa der Geistliche Clemens Dillburg) und auf dem Rücken, die gedehnten Arme rechtwinklig neben sich aufliegend, was einigen fast unerträgliche Schmerzen bereitet. Elsa sieht die Wehleidigen und die Ehrgeizigen, die, die durchhalten und die, die resignieren werden. Manche schmuddelig, manche immer frisch unter der Dusche weg, beides nicht schlimm. Zwei, drei verfügen nicht mal über einen eigenen Körpergeruch.
    Ein besonderer Fall ist natürlich Luise Wäns, die Mutter der mürrischen Bankbeamtin Sabine. Frau Wäns ist die einzige Person, die Elsa zuhause, im Tristanweg 8 besucht, draußen, flußabwärts. Seit die gymnastischen Übungen nicht mehr notwendig sind, fährt Elsa manchmal zum Wandern hin. »Frau Wäns«, sagt Elsa ihrem Freund Henri, der bis auf die Wochenenden frühmorgens zur Arbeit fährt und meist spätabends wiederkommt, »wirkt von weitem wie eine Studentin von der wurschtigen Sorte. So zieht sie sich auch an, aber nicht, da bin ich sicher, um jünger zu erscheinen. Sie hat einfach nicht mitgekriegt, daß sie äußerlich älter geworden ist.«
    Auch nachts, wenn Elsas Freund neben ihr liegt, tauchen die Gesichter und Körper auf. Zumindest in diesem Fall möchte sie die Klienten verscheuchen, aber die sind zäh. Elsa weckt dann, nicht allzu schuldbewußt, den sorglos atmenden Mann. Ihm sind die Leute, die ihn nichts angehen, deshalb schon lange vom Hörensagen vertraut. Hoffentlich reißt ihm nicht eines Tages der Geduldsfaden.
    Warum aber immer in Weiß, schöne Elsa?
    Die Patienten jedenfalls halten Weiß für die Hautfarbe rothaariger Engel. Unter Elsas professionellen Berührungen erschauern sie und geben, laut oder stumm, mehr von sich preis, als sie wissen, als Elsa wissen will, brauen sich zusammen vor ihr und dem unbarmherzig aus tiefem Schlaf gerüttelten Freund.
Alte Zeiten
    Martha, eine Frau Martha Bauer mit gelegentlich starkem Schulterschmerz, Freundin einer gewissen Fränzi in Osnabrück, hatte im November vor fünfundzwanzig Jahren einer Bekannten, Elisabeth Schneider, ihren Dampfkochtopf geliehen.
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