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Grant County 05 - Gottlos

Grant County 05 - Gottlos

Titel: Grant County 05 - Gottlos
Autoren: Karin Slaughter
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seinem Ausdruck etwas, das sie innehalten ließ.
    Er sprach so leise, dass sie genau hinhören musste, um ihn zu verstehen. «Es könnte sein, dass ich krank bin.»
    «Krank?», wiederholte sie, plötzlich von Panik ergriffen. «Wie, krank?»
    Jeffrey ging zurück und setzte sich mit hängenden Schultern auf einen Stein. Jetzt war es Sara, die ihm hinterherlief.
    «Jeff?», fragte sie und kniete sich neben ihn. «Was ist los?» Wieder hatte sie Tränen in den Augen, doch diesmal klopfte ihr Herz vor Furcht, nicht vor Wut.
    Von allen Dingen, die er hätte sagen können, war das, was er als Nächstes vorbrachte, das Schlimmste. «Jo hat angerufen.»
    Sara lehnte sich auf die Hacken zurück. Sie faltete die Hände im Schoß und starrte mit leerem Blick zu Boden. In der Highschool hatte Jolene Carter all das verkörpert, was Sara nicht war: Sie war anmutig, kurvig und doch schlank, und als beliebtestes Mädchen der Schule hatte sie freie Auswahl bei den süßesten Jungs. Sie war Ballkönigin beim Abschlussball, Kopf des Cheerleader-Teams, Jahrgangsstufensprecherin. Natürlich war sie blond, hatte blaue Augen und einen kleinen Schönheitsfleck auf der rechten Wange, der ihren ansonsten makellosen Zügen einen Hauch von Sinnlichkeit und Exotik verlieh. Und selbst mit fast vierzig hatte Jolene noch einen perfekten Körper – was Sara deswegen so genau wusste, weil es Jo war, die sie vor fünf Jahren, als sie eines Abends nach Hause kam, splitternackt mit Jeffrey in ihrem Bett gefunden hatte.
    Jeffrey sagte: «Sie hat Hepatitis.»
    Sara hätte laut losgelacht, wenn sie gekonnt hätte. Alles, was sie herausbrachte, war: «Welche Sorte Hepatitis?»
    «Die schlimme Sorte.»
    «Es gibt mehrere schlimme Sorten.» Sara fragte sich, wie zum Teufel sie in diese Situation geraten war.
    «Ich habe außer diesem einen Mal nie wieder mit ihr geschlafen. Das weißt du, Sara.»
    Ein paar Sekunden starrte sie ihn an, hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, aufzuspringen und davonzulaufen, und dem Drang zu bleiben, um mehr herauszufinden. «Wann hat sie angerufen?»
    «Letzte Woche.»
    «Letzte Woche», wiederholte sie, dann holte sie tief Luft: «Wann genau?»
    «Ich weiß nicht. Anfang der Woche.»
    «Montag? Dienstag?»
    «Was spielt das für eine Rolle?»
    «Was das für eine Rolle spielt?», wiederholte Sara ungläubig. «Ich bin Kinderärztin, Jeffrey. Zu mir kommen Kinder – kleine Kinder –, denen ich jeden Tag Spritzen gebe. Ich nehme ihnen Blut ab. Ich fasse ihre Wunden und Kratzer an. Es gibt Vorsichtsmaßnahmen. Es gibt alle möglichen …» Sie brach ab, als sie nachrechnete, wie viele Kinder sie der Gefahr ausgesetzt hatte, wie viele Spritzen sie gegeben, wie viele Wunden sie genäht hatte. Hatte sie fahrlässig gehandelt? Sie verletzte sich dauernd an den Kanülen. An ihre eigene Gesundheit mochte sie gar nicht denken. Das war einfach zu viel.
    «Ich war gestern bei Hare», erklärte Jeffrey, als würde ihn die Tatsache, dass er nach einer Woche schließlich einen Arzt aufgesucht hatte, rehabilitieren.
    Sara presste die Lippen zusammen und versuchte, die richtigen Fragen zu stellen. Sie machte sich vor allem Sorgen um die Kinder, und erst jetzt dämmerte ihr, was das in letzter Konsequenz für sie selbst bedeuten könnte. Vielleicht hatte sie eine chronische, oft genug tödlich verlaufende Krankheit, mit der Jeffrey sie angesteckt hatte.
    Sara schluckte. «Hat Hare einen Schnelltest machen lassen?»
    «Ich weiß es nicht.»
    «Du weißt es nicht», wiederholte sie. Natürlich wusste er es nicht. Jeffrey litt unter dem typisch männlichen Verdrängungsmechanismus in Bezug auf alles, was mit seiner Gesundheit zusammenhing. Er wusste mehr über die Reparaturgeschichte seines Wagens als über seinen eigenen Körper, und sie sah ihn förmlich vor sich, wie er mit leerem Blick in Hares Sprechzimmer saß, mit nur einem einzigen Gedanken im Kopf, nämlich dem an den schnellsten Weg, da rauszukommen.
    Sara stand auf. Sie musste sich bewegen. «Hat er dich untersucht?»
    «Er hat gesagt, ich habe keine Symptome.»
    «Ich will, dass du zu einem anderen Arzt gehst.»
    «Was hast du gegen Hare?»
    «Er …» Sara fand die richtigen Worte nicht. Ihr Gehirn verweigerte den Dienst.
    «Nur weil er dein verrückter Cousin ist, heißt das noch lange nicht, dass er kein guter Arzt ist.»
    «Er hat mir nichts davon erzählt», sagte sie. Sie fühlte sich von beiden hintergangen.
    Jeffrey sah sie an. «Weil ich ihn darum gebeten
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