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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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wie dem 14. Jahrhundert wiederum stieg mit der Not ihres Wertes wegen das Interesse an den Edelmetallen – und gleichzeitig auch die Anfälligkeit der Menschen, auf betrügerische Machenschaften hereinzufallen. In den Jahrzehnten vor 1300 war der Goldpreis in die Höhe geschnellt, das Edelmetall rar geworden und entsprechend begehrt.

Kochrezepte zur Goldherstellung
    Die Transmutation von Metallen als eines der großen Ziele der Alchemisten – und für viele die anzustrebende Vollendung ihres Alchemistenlebens – führte seit den ersten Übersetzungen aus dem Arabischen zu reichem Schrifttum. Was die Alchemisten darüber kundtaten, ist aus mehrerlei Gründen schwer zu verstehen: Sie verrätselten oder verklausulierten ihre Rezepte, um aus dem Geheimnisvollen Autorität zu beziehen und zu verschleiern, dass sie im Nebel herumstocherten. Außerdem sollte das Wissen geheim bleiben, weshalb man es so verschlüsseln musste, dass es nur in den richtigen Händen Anwendung finden konnte. Auf moderne Leser wirken zudem die häufig vorkommenden religiösen Konnotationen zweifelhaft – und natürlich steht uns unser Wissen im Weg, dass all diese Rezepte niemals erfolgreich gewesen sein können. Das heißt aber nicht, dass Vorführungen der Goldherstellung für Zuschauer unbefriedigend ausgegangen wären. Betrügerische Alchemisten scheuten sich nicht, das Experiment so zu arrangieren, dass am Ende zumindest ein wenig Glanz im Spiel war, der aber nicht notwendigerweise von echtem Gold stammte – und definitiv nicht von Gold, das in diesem Experiment hergestellt worden wäre.
    Das dafür in zahlreichen Rezepten angebotene und von Augenzeugen im Alchemistenlabor berichtete Verfahren war zugleich ein chemischer und metallurgischer Prozess. Da die Herstellung von Gold nie gelingen konnte, fallen die Rezepte höchst unterschiedlich aus und lassen sich nicht befolgen wie ein simples Kochrezept. Für das Experimentieren mit der Transmutation von Metallen bedurfte es neben einiger Kenntnis chemischer Prozesse und Stoffe auch eines gut bestückten Labors mit den entsprechenden Gerätschaften. Dazu gehörte allen voran der Glaskolben, dessen Transparenz erlaubte, die Farbänderungen zu verfolgen, die im Prozess der Goldwerdung eine wichtige Rolle spielten. In der hochfahrenden Symbolik der Alchemisten stand der Laborkolben für das Ei oder die Gebärmutter. Unerlässlich waren leistungsfähige Öfen, deren Temperaturen jederzeit stimmen mussten, auch wenn bis zum 17. Jahrhundert noch kein Thermometer zur Verfügung stand.
    Die kryptischen Arbeitsanweisungen und vagen Angaben hinsichtlich der Zutaten und des Prozedere bildeten aber nicht das einzige Hindernis; auch die richtige Zeit und Dauer musste beachtet werden. Manche Autoren folgten dem Wochenrhythmus, da laut Bibel die Welt in sieben Tagen erschaffen worden war. Andere machten den Ablauf eines Jahreszyklus mit seinen Jahreszeiten zur Bedingung oder zogen Tierkreiszeichen und ihre Perioden heran. Wieder andere griffen auf die neun Monate zwischen Empfängnis und Geburt zurück.
    Von großer Bedeutung war stets die Person des Alchemisten, der genügend Tugenden in sich vereinen musste, um zum Erfolg zu gelangen. Die Größe des Vorhabens bedingte natürlich schon aus Prestigegründen einen kleinen, exklusiven Club von Menschen, die überhaupt dafür in Frage kamen. Chinesische Alchemisten standen darüber hinaus vor einem Problem, das die Möglichkeiten stark einschränkte: Einer Schrift zufolge musste der Adept vor der Transmutation hundert Tage lang fasten, dafür auf einen »berühmten hohen Berg« gehen und sein Werk nur vor zwei bis drei Zuschauern vollziehen. Außerdem könne man, so hieß es, die Kunst nicht aus Büchern lernen, sondern müsse von denen persönlich instruiert werden, die sie bereits beherrschen.
    Eine oft genannte Voraussetzung war die Keuschheit – damals ohnehin eine beliebte Forderung an die zur besonderen Tat Entschlossenen. Und im frühen 14. Jahrhundert betonte der Arzt und Alchemist Petrus Bonus aus dem norditalienischen Ferrara, es brauche neben den handwerklichen Grundlagen den Glauben, um das große Werk der Transmutation zu stemmen. Ohne göttliche Erleuchtung sei der Stein der Weisen nicht zu finden. So wie der Mensch erlöst werden müsse, um zu Höherem aufzusteigen, durchlaufe auch das einfache Metall eine Art Erlösung zum Höheren in der Transformation zum Edelmetall. Insofern ließen sich Parallelen ziehen zwischen dem dumpfen irdischen
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