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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Dasein des Menschen und dem plumpen Klumpen Blei, das sich durch Transmutation ebenso veredeln lässt wie der Alchemist eine höhere Stufe des Wissens und Bewusstseins erreichen soll.
    Das A und O der Goldherstellung war eine Art Katalysator – die Substanz, die aus dem schnöden Blei blitzgelbes Gold zu zaubern vermochte. Dieser besondere Stoff wurde mal als Elixier ( aqua vitae ), mal als Stein der Weisen ( lapis philosophorum ), mal als »die Tinktur« bezeichnet; mal versuchte man ihn aus Vitriol, mal aus Salpeter, mal aus Quecksilber zu gewinnen. Die Alchemisten unterschieden das kleine und das große Werk ( opus parvum und opus magnum ) zur Herstellung eines weißen Elixiers, um Silber herzustellen, beziehungsweise des roten Steins der Weisen zur Produktion von Gold. Beim Stein der Weisen musste es sich aber keineswegs um einen gesteinsartigen Stoff handeln, meist ging es auch da um eine Flüssigkeit.
    Schon in den frühesten bekannten Texten zur Alchemie aus dem Ägypten der hellenistischen Zeit ist von einem Pulver die Rede, das unedle Metalle zu Gold machen könne und bereits »Stein der Philosophen« genannt wird, aber kein Stein sein muss. Er wurde auch mit Decknamen wie Salamander, Basilisk oder Chamäleon belegt. Über die Jahrhunderte kristallisierten sich trotz aller Varietäten und Geheimniskrämerei ein paar Eigenschaften des Stoffes heraus: In festem Zustand von hoher Dichte, sollte er sich pulverisieren oder schmelzen, aber nicht verbrennen oder verdampfen lassen. Der Alchemist Ortulanus beschreibt ihn wie folgt: »Es wird ein roter, klarer, fließender, schmelzender und im Feuer beständiger, färbender und verwandelnder Stein entstehen, der den Merkur [Quecksilber] und jeden festen und weichen Körper durchdringt und zu wahrer goldmachender Substanz färbt, der jeden menschlichen Körper von aller Schwachheit reinigt und in der Gesundheit erhält, das Glas hämmerbar macht und die Edelsteine tiefrot färbt wie Karfunkel.« Es versteht sich, dass ein solches Stöffchen, das Blei in Gold zu verwandeln vermag, bedenkenlos auch für andere große Aufgaben in Frage kam. Unsterblichkeit gehörte selbstverständlich dazu.
    Eine einflussreiche Kapazität auf dem Gebiet der Transmutations-Alchemie, ein anonymer Autor, der unter Bezug auf einen arabischen Alchemisten mit Dschãbir oder Geber zeichnete, unterschied Ende des 13. Jahrhunderts drei Ausführungen des Steins der Weisen: Die erste erlaubt nur eine vorübergehende Transformation, die zweite verändert nur eine einzige Eigenschaft des unedlen Ausgangsstoffes, die dritte hingegen macht daraus in jeder Hinsicht reines Gold. Dass das Unterfangen aber jeden noch so fähigen und ausdauernden Menschen auf eine harte Probe stellt, weiß auch Geber: »Der Forscher soll ein ruhiges Temperament haben und nicht leicht zornig werden, damit er nicht plötzlich einen Wutanfall bekommt und seine angefangene Arbeit in eine Ecke wirft und zerstört.«
    Zum Ziel sollte man in mehreren Stufen gelangen. Meist spielte dabei eine Abfolge von Farben, die hinter dem Glas des Laborkolbens zu beobachten waren, eine wichtige Rolle: schwarz, weiß, gelb und rot, der sogenannte Pfauenschwanz. Oft sind es im Ganzen sieben Schritte, mitunter auch zwölf, seltener achtzehn. Je weiter man mit diesem Prozess vorankam, desto undurchsichtiger wurden die Arbeitsanweisungen. Zunächst ging es um die Beschaffung der notwendigen Grundsubstanzen und ihre Präparation in einem verschlossenen Kolbengefäß. Ein bunter Strauß an Ausgangsstoffen sollte da zur Anwendung kommen, am häufigsten aber Gold und Quecksilber, die in ihren Urzustand versetzt werden mussten, um als Baustein des Steins der Weisen zu dienen.
    Folgende Schritte waren in wechselnder Reihenfolge zu tun: Solution (Verflüssigung), chemische oder physikalische Kalzination (Pulverisierung), Putrefaktion (Verfaulung), Fermentation (Gärung) und Koagulation (Verfestigung), dann die Multiplikation des Steins der Weisen, um die transmutierende Wirkung zu verstärken und eine gewünschte Menge Goldes herzustellen. Sodann folgte der Höhepunkt: die Projektion, in der die Substanz in das unedle Material eingebracht wird, um sich in Gold zu verwandeln. Dafür wurde meistens das unedle Metall in einem Tiegel geschmolzen (oder Quecksilber zum Sieden gebracht) und eine kleine Menge des Steins der Weisen hinzugegeben. Daraufhin entstand, so die Vorstellung, innerhalb weniger Minuten Gold – wenn der Adept alles richtig gemacht hatte.
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