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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy
Autoren: Theodor Fontane
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Verlegenheit, wie das Gespräch beginnen, und so hatten sie denn schon den Vorhof und das Gitter passiert, als er endlich das Wort nahm.
    »Ein trübseliges Wetter«, begann er. »Nun wieder Schnee. Der Wind dreht sich in einem fort. Ich mache mir nichts aus dem Winter.«
    »Oh, da denk ich doch anders. Ich liebe den Winter, nur muß er wirklich ein Winter sein. Es ist damit wie mit den Menschen: auf Beständigkeit kommt es an. Mit einem launenhaften Winter, der heute so ist und morgen so, mit dem ist nichts anzufangen, aber ein echter und zuverlässiger Winter, der sich einrichtet, als woll er nie wieder gehen der ist schön wie der schönste Sommer. Doch das wissen sie hier nicht. Einen Schneesturm haben sie wohl, aber die stille, feste Kälte, die Brücken baut und trägt und hält, die fehlt ihnen.«
    Egon antwortete nicht; es schien nur, daß er überlegte, was sie mit dem allem gemeint haben könne. Denn obwohl sie sich selbst für berechnend ausgegeben hatte, so hielt er sie doch für noch viel berechnender, als sie war. Erst als sie bei dem hell erleuchteten und noch vollbesetzten Café Daum vorüberkamen, wies er darauf hin und sagte:
    »Das Theater muß eben aus sein. Ich wette, daß in diesem Augenblicke Dutzende von Pfeilen gespitzt und abgeschossen werden. Ein Glück, daß sie vorbeifliegen.«
    »Ach, solche Pfeile fliegen nie vorbei, wenigstens nie ganz, und die spitzesten am wenigsten.«
    »Aber sie töten nicht, solange sie nicht vergiftet sind.«
    »Die ganz spitzen sind immer vergiftet. Das läßt sich an jedem Mückenstiche studieren.«
    »Aber Gott sei Dank auch die Ungefährlichkeit.«
    »Nur leider nicht die Schmerzlosigkeit, und wenn ihrer viele kommen, so hat man ein Fieber und eine schlaflose Nacht.«
    »Und so spricht ein Liebling des Publikums, ein Verzug, ein Glückskind?«
    »Viel Feind, viel Ehr. Aber auch viel Ehre, viel Feind. Und ein Glückskind! Nun ja; vielleicht. Aber an jedes Glück hängt sich ein Unglück.«
    »Umgekehrt, ein Glück kommt nie allein.«
    Unter so zugespitzter Rede waren sie bis an den Kärntnerring und die Schwarzenbergbrücke gekommen und gingen nun auf die Salesinergasse zu, deren vorderstes Eckhaus Franziska bewohnte. Das eine Fenster war hell erleuchtet und schickte sein Licht ihnen entgegen über den Platz hin.
    »Und was, wenn die Frage nicht zudringlich ist, finden Sie nun daheim, meine Gnädigste?« nahm Egon das Gespräch wieder auf.
    »Oh, das Beste, was man finden kann: ein Feuer im Kamin und ein Paar warme Schuhe.«
    »Einigermaßen genügsam.«
    »Und dazu Lieb und Treue und ein Geplauder von der Heimat.«
    »Und wer gewährt Ihnen das?«
    »Mein zweites und mein besseres Ich, meine Freundin und Dienerin zugleich. Und wenn sie nicht gleichen Alters mit mir und sehr streng und sehr tugendhaft wäre so würd ich sie Ihnen kurzweg als die Amme der italienischen Komödie vorstellen. Aber eins ist sie gewiß: in jeder Sorge mein Trost und in jeder unklaren Sache mein gutes Gewissen.«
    »Beneidenswert!«
    »Ei, das mein ich auch... Aber hier sind wir am Ziel, Graf Egon.« Und die Glocke ziehend und ihm dankend, stieg sie rasch die Stufen hinauf.
     
    Auf der dritten Treppe wurde sie von ihrer Dienerin empfangen und trat gleich darnach in den Vorflur, wo sie die Schneestäubchen von ihrem Mantel abschüttelte. »War niemand da, Hannah? Nein? Nun, desto besser, und nun bringe mir den Tee.«
    »Ja, darauf ist heute nicht mehr gerechnet, Schatz. Ich habe keinen Tropfen Rahm im Hause.«
    »Tut nichts, dann nehmen wir einen Tropfen Kirschwasser. Irgendwas wird doch dasein. Aber eile dich. Ich hab es so kalt.«
    Und eine Viertelstunde später saß Franziska zurückgelehnt in einem Schaukelstuhl und sah in die Kaminflamme, während Hannah ihr den Tee bot und sich neben sie setzte.
    »Hier, noch ein Oblatenbrot«, sagte diese; »glücklich gerettet. Und nun erzähle.«
    »Ja, das ist leicht gesagt, Hannah. Erzähle! Aber was? Eigentlich weiß ich selber nichts, und woher sollt es auch kommen? Eine Gräfin kann einem doch nicht gleich ihre Lebensgeschichte zum besten geben.«
    »Ist auch nicht nötig und will ich auch nicht wissen. Nur ein bißchen von allem oder doch von der Hauptsache. Nimm also wenigstens einen Anlauf und sage mir, wer da war und wie sie hießen.«
    »Nun gut. Also da war zunächst die Gräfin selbst, von der die Karte kam, und dann ihr Bruder, der alte Graf. Nun, den kennst du. Du hast ihn ja neulich selber gesehen und gesprochen und könntest
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