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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy
Autoren: Theodor Fontane
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Stunde später leerte sich die Kirche wieder, und die Dienerschaften des Grafen trugen den Sarg zu vorläufiger Unterkunft in eine der Seitenkapellen.
    Es war zu verhältnismäßig früher Stunde, daß die Feier stattgefunden hatte; die nächsten Leidtragenden kehrten in das Palais Petöfy zur Gräfin Judith zurück, während die junge Gräfin ohne Säumen nach Schloß Arpa hin aufbrach, in dessen Gruftkapelle der alte Graf am drittfolgenden Tage beigesetzt werden sollte.
    Die Fahrt währte nur wenige Stunden, und die verschleierte Nachmittagssonne stand noch über den Bergen, als Franziska bei Nagy-Vasar den Schnellzug verließ und unmittelbar darnach das Schiff bestieg.
    Ein jeder an Bord wußte von dem Tode des Grafen, und die Flagge wehte von Halbmast.
    Als das Schiff an der Landungsbrücke von Szegenihaza angelegt hatte, war die Sonne schon gesunken, und Franziska nahm allein Platz in dem ihrer harrenden Wagen. Ach, wie verändert alles seit jenem Julitage, wo sie hier zum ersten Male, den blauen Himmel über sich, über die sonnige Fläche hingeflogen war. Auf den Feldern standen heut überall Tümpel und Lachen, und durch den aufgeweichten Boden hin ging es langsam und oft im Schritt auf das Schloß zu, dessen Umrisse sich im Nebel und Zwielicht kaum noch erkennen ließen. Alles war öde und abgestorben, und nichts als ein Rest von gelbem Laube hing noch an den Bäumen, die hie und da neben dem Wege standen. Dabei tiefe Stille, nur dann und wann unterbrochen, wenn ein paar Krähen aufflogen.
    Und nun hatte der Wagen den Punkt erreicht, wo der Weg in Schlängellinie bergan zu steigen begann. Als sie bis zur halben Höhe hinauf waren, hielt ihr Gefährt, und Franziska sah, als sie sich vorbeugte, daß man nicht weiter konnte, weil ein schwerer, ebenfalls bergan fahrender Lastwagen die Passage so gut wie gesperrt hielt.
    »Was ist es?« fragte sie den Kutscher, als das Gezänk mit dem Vordermann einen Augenblick schwieg.
    »Is Glocke, Gräfin gnädigste«, antwortete der Kutscher und rief dem andern zu, daß er links bis an den Rand hin ausbiegen und die Felsen- oder Innenseite freigeben solle. Mühsam geschah es, und einen Augenblick später fuhr Franziska dicht an dem Wagen und seiner mit einem schwarzen Segeltuch überdeckten Last vorüber.
     
    Im Schlosse fand sie's wohnlicher, als sie zu hoffen gewagt hatte; den zweiten Tag, wie verabredet, kam Gräfin Judith, und am dritten Tage stand der letzte Petöfy vor dem Altar unten in der Gruftkapelle. Die Zeremonie wiederholte sich hier wie bei den Augustinern, nur mit dem Unterschiede, daß statt des stattlichen Feßler der kleine Pfarrer von Szegenihaza die Totenmesse las und an Stelle der vornehmen Welt nur Dienerschaften und Tagelöhner um den Altar mit dem großen, verblakten Marienbilde her versammelt waren. In Front aber saßen die beiden Gräfinnen selbst, den Blick auf den mit neuen Kränzen geschmückten Sarg gerichtet. Auch Hannah war in einem fast bis ans Kinn reichenden Trauerkleide anwesend und sah ernst und teilnahmvoll vor sich hin, immer aber, wenn wieder unverständliche lateinische Sätze gesprochen und das Weihrauchfaß geschwenkt wurde, lag etwas wie Verdrießlichkeit und Überhebung auf ihrem Gesicht. Endlich schloß die Feier, alles kehrte zu seinem Tagewerk zurück, und nur die Glocken oben klangen noch über Land und See hin.
    Es waren aber wieder zwei, die geläutet wurden.
     
    Franziska hatte sich bald darnach in ihr Zimmer zurückgezogen und blickte, nachdem sie lange vergeblich sich zu beschäftigen und in einem Andachtsbuche zu lesen versucht hatte, zu der Nische mit dem Baldachin hinauf, von woher ihr das Christkind den kleinen Arm entgegenstreckte. Sie nahm den daran hängenden Rosenkranz und ließ die Perlen desselben eine nach der andern durch ihre Finger gleiten. Da war es ihr, als ob hinter ihr die Tür ging, und Hannahs ansichtig werdend, steckte sie, wie von einer leisen Verlegenheit erfaßt, den Rosenkranz in den Gürtel, in der Hoffnung, daß seine Perlen auf dem schwarzen Kleide vielleicht weniger sichtbar sein würden.
    Aber Hannah sah es doch und sagte: »Laß nur. Ich hab es mir lange gedacht. Es kommt nun doch so.«
    »Vielleicht. Aber denke dich in meine Lage. Kannst du mir böse sein?«
    Hannah schüttelte den Kopf.
    »Du bist mir also nicht böse. Nun, das ist gut, aber es ist mir nicht genug. Ich will auch deine Gutheißung. Und wenn du mir die nicht geben kannst, so will ich wenigstens, daß du sagst: ›Ich
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