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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy
Autoren: Theodor Fontane
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andern saß.
    »Noch zu Haus?« fragte der als Graf Egon und Neffe des Hauses bezeichnete junge Offizier und stieg, als der Walache gravitätisch sein »Ja« genickt hatte, die breite, nur wenig Stufen zählende Marmortreppe hinauf.
    Ein langer Korridor lief auf das Frontzimmer zu, das von Graf Adam bewohnt wurde. Niemand erschien, um zu melden, auch Andras nicht, der erst sechzehnjährige Groom und Liebling, der seit kurzem an des erkrankten Kammerdieners Stelle den persönlichen Dienst beim Grafen hatte. So trat der Neffe denn unangemeldet ein, streckte sich ohne weiteres, den Oheim bei der Toilette vermutend, in einen Schaukelstuhl und musterte das Zimmer, das er von langher kannte, doch so genau zu betrachten nie zuvor Gelegenheit gehabt hatte. Der Charakter seines Bewohners sprach sich in allem aus und verriet gleichmäßig den Militär wie den Junggesellen und Theaterhabitué. Vor dem Fenster stand ein beinahe mannshohes Bauer mit einem Kakadu darin, während im übrigen alle Wände mit einer ganzen Galerie von Bühnengrößen, unter denen die Rachel den Ehrenplatz einnahm, überdeckt waren. Ebenso lagen Albums umher, auf deren einem in großer Golddruckaufschrift »Collection of beauties« zu lesen war.
    Egon begann eben darin zu blättern, als er den kleinen, staffeleiartigen, immer das Neueste tragenden Ständer eines aquarellierten Blattes gewahr wurde. Neugierig trat er heran und sah nun, daß es die Wolter als Messaline war in jenem verführerischen Moment, wo sie den Sohn des Paetus auf einem Blumenlager empfängt.
    Egon war noch in Bewunderung vertieft, als der alte Graf eintrat und den Neffen in einem eleganten Visitenanzuge, den er augenscheinlich eben erst angelegt hatte, begrüßte.
    »Nun, Egon, zufrieden mit dem Bilde?«
    »Süperb!«
    »Mein ich auch. Makart hat sich hier selbst übertroffen. Ich ziehe diese Skizze seinen größeren Bildern vor. Überhaupt in dem, was Künstler Ausführung nennen, geht soviel von der Hauptsache verloren. Was der Moment schafft, ist immer das Beste. Byron hatte ganz recht, sich mit einem Tiger zu vergleichen, der alles gleich im ersten Sprunge packen müsse. Gleich oder gar nicht. So liegt es.«
    »Die Fachleute denken meist anders darüber«, entgegnete der Neffe, der die Vorliebe des Oheims für Kunstgespräche kannte. »Hört man
sie
, so sollte man glauben, skizzieren könne jeder und Ideen haben sei so ziemlich das Trivialste von der Welt. Aber lassen wir das. Ich komme, nach deinen Befehlen zu fragen. Es wird heute getanzt werden. Für den Fall, daß du noch Aufträge hast, steh ich mit meiner ganzen Zeit zu Diensten. Ich habe mich beurlaubt und bitte dich, über mich zu verfügen.«
    »Obligiert, Egon. Aber es ist alles im Gange, die Cotillonüberraschungen mit eingeschlossen, und das eine, was noch fehlt, muß ich selber beschaffen, oder sag ich lieber, in Ordnung bringen. Eben deshalb siehst du mich bereits gestiefelt und gespornt. Es handelt sich um die reizende Franz, die heute, Pardon, wenn ich etwas übertreibe, die Königin unseres Festes sein soll.«
    »Sagen wir die Nouveauté.«
    »Gut, auch das. ›Nouveauté‹: nicht übel. Und um diese Nouveauté soll ich kommen, weil es der unbedeutenden kleinen Stiglmayr, die geradeso hausbacken ist wie ihr Name, beliebt hat, sich einen Katarrh anzuschaffen oder eine Migräne. Nun soll die Franz statt ihrer spielen. Lies. Es ist zum Rasendwerden. Du siehst mich auf dem Wege zu ihr. Es wird sich doch unter den zwanzig jungen und alten Damen irgendeine Vertretung finden lassen, ohne gerade die Franz für diese Rolle heranzuziehen. Wirklich, so mal à propos wie möglich! Denn gerade heute hatt ich vor, sie deiner Tante Judith vorzustellen, woran mir, offen gestanden, liegt. Den Rest überlaß ich schließlich der Franz selbst, ihrer Klugheit und ihrer Anmut.«
    »Anmut?«
    »Ja; so sagt ich. Überrascht dich das Wort?«
    »Einigermaßen. Um anmutig zu sein, ist sie nicht mehr jung genug. Es gibt eine Frauenanmut von vierzig, aber keine Mädchenanmut von sechsundzwanzig.«
    »Du gehst höher hinauf, als die Galanterie gestattet, oder meinetwegen auch weiter zurück.«
    »Und ich meinerseits fürchte nur, daß das Kirchenbuch noch weiter zurückgeht.«
    »Oh, nichts davon. Es gibt nichts Gröblicheres als Kirchenbücher. Aber alt oder jung, ich habe sie gern und mag sie für mein Fest nicht entbehren, am wenigsten heut. Scheitert alles, so muß sie noch nach der Vorstellung erscheinen. Das dumme Ding von
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