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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy
Autoren: Theodor Fontane
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freundlichst zugute halten. Aber dabei muß es auf jede Gefahr hin bleiben, außer Ihrer schönen Kaiserin hat Wien nichts, das mich so sympathisch berührte wie seine Geistlichkeit, Jesuiten und Liguorianer mit eingeschlossen.«
     
Viertes Kapitel
     
    Das Erscheinen des alten Grafen, der sich lebhaft und beinahe hastig entschuldigte, die Stunde so schlecht gehalten zu haben, unterbrach das Gespräch. Graf Egon war mit ihm. Eine Vorstellung fand nicht statt; man kannte sich bereits von der Soiree her.
    »Oh, nichts von Entschuldigungen!« sagte die Gräfin, als beide Herren ihre Plätze genommen hatten. »Wir haben dich, um die Wahrheit zu gestehen, nicht vermißt, auch Egon nicht, am wenigsten in dieser letzten Minute, wo wir in der bevorzugten Lage waren, Confessions entgegennehmen zu können. Und du weißt ja, Bruder, wieviel uns Confessions bedeuten! Unser lieber Gast sprach nämlich mit Vorliebe von Wien und nicht bloß von Wien, sondern auch von Liguorianerpatres, was dich vielleicht am meisten überraschen wird. Ob auch erfreuen?«
    »Mich erfreut alles, was unsere liebe Freundin sagt oder tut, und selbst Feßler wird mir in diesem Falle zustimmen.«
    Dieser nickte.
    Die junge Schauspielerin aber warf einen Blick auf Egon, dessen Gegenwart sie befangen zu machen schien, und sagte dann, während sie den leichten Ton ihres voraufgegangenen Geplauders wiederzugewinnen trachtete:
    »Fast muß ich fürchten, mich mit meinen Confessions ins Komische gestellt zu haben. Aber mein Rollenfach, das das Naive wenigstens streift, mag mich entschuldigen. Unser Beruf gibt uns schließlich unsern Ton und unsere Haltung.«
    »Und wenn nun das Naive vielleicht Ihre Naturanlage wäre?« scherzte der alte Graf.
    »Das ist es leider nicht. Ich bilde mir wenigstens ein, überlegend und beinahe berechnend zu sein, eine nüchterne norddeutsche Natur. Und wenn sich mir meine Wünsche erfüllen, so werd ich eine Kaufmannsfrau.«
    »Das werden Sie nie«, warf Egon kurz und mit großer Bestimmtheit ein. »Angenommen selbst, meine Gnädigste, daß Sie's in Ihrer Charakteraufrechnung in jedem Einzelpunkte getroffen hätten, in der Summa: ›Kaufmannsfrau‹, sicherlich nicht.«
    »In der Summa sicherlich nicht«, wiederholte der alte Graf. »Egon spricht, als ob er einen Zahlkellner reprimandieren wollte. Summa, Fazit, Addition. Ich bitte dich, von welcher Welt ziehst du den Vorhang! O diese moderne Jugend! Etwas unselig Geschäftliches ist in Sprache, Bilder und Anschauungen eingedrungen. Ein Unglück, daß sich unsere Jugend dem Theater so sehr entfremdet.«
    Feßler lächelte.
    »Sie lächeln, Feßler, und wollen andeuten, alles moderne Weltenunglück, das in Ihren Augen natürlich sehr anders aussieht als in den meinigen, komme von etwas ganz anderem her. Aber glauben Sie mir, die Kirche tut es nicht, und unter allen Umständen läßt sich auf dem ihrem Zepter unterstellten Gebiete jede Stunde gründlich und erfolgreich nachexerzieren. Nur bei der Kunst heißt es: ›Was Hänschen nicht lernte, lernt Hans nimmermehr‹, während es doch zum Fromm- und Christlichwerden eigentlich nie zu spät ist.«
    »Und doch empfiehlt es sich, vor Toresschluß damit anzufangen.«
    Alles lachte, nicht zum wenigsten der alte Graf, der in übermütiger Laune fortfuhr: »Vor Toresschluß sagen Sie, Feßler. Bah, in diesen heiligen Hallen, in denen man die Rache nicht kennt und kaum die Sünde, kann von ›vor Toresschluß‹ überhaupt nie die Rede sein. Ja, Judith. Ein Gefühl, als ob in deinem Salon tagaus, tagein zelebriert werde, kann ich nie loswerden, und daran ist neben anderem die kleine Ambralampe schuld, der ich mich beständig versucht fühle das Lebenslicht auszublasen. Aber sie steht ja direkt unterm Schutz des Gundolskirchenschen Spezialheiligen, und so bin ich mir nie sicher, ob ich sie nicht allen Ernstes als eine halbe Ewige Lampe anzusehen habe.«
    Das Eintreten eines Dieners unterbrach ihn; Couverts wurden gelegt und Gläser gestellt, ohne daß im übrigen die Plätze gewechselt worden wären. Auch eine Zeitung kam, und während Franziska mit dem Pater, Egon aber mit der Tante sprach, tat der alte Graf einen Blick in das Wochenrepertoire.
    »Seh ich recht, man hat den ›Zriny‹ wieder hervorgesucht, beiläufig nicht die schlechteste Wahl. Et voilà mes amis, die Helene Zriny. Aber wissen Sie, meine Gnädigste, daß ich Ihnen ernstlich zürne, mir gerade das verschwiegen zu haben, mir, Ihrem Verehrer und Freunde!«
    »Vielleicht aus
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