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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald
Autoren: H Coben
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Schwester passiert ist.«
    Ich wartete.
    Wieder gingen mir die letzten Worte meines Vaters durch den Kopf.
    »Hast du es gewusst?«
    Ich hatte damals gedacht, er hätte mir etwas vorgeworfen, er hätte die Schuld in meinem Gesicht gesehen. Aber das war es nicht. Wollte er wissen, ob ich über das wahre Schicksal meiner Schwester Bescheid wusste? Oder ob ich wusste, was er getan hatte? Ob ich wusste, dass er meine Mutter ermordet und im Wald begraben hatte?
    »Was ist mit meiner Schwester passiert, Sosch?«
    »Genau das meine ich, wenn ich sage, dass es nicht so einfach war.«
    Ich wartete.
    »Dazu musst du wissen, dass dein Vater sich nie wirklich sicher war. Er hatte zwar ein paar Hinweise gefunden, aber das Einzige, was er genau wusste, war, dass deine Mutter mit dem Geld verschwinden und dich dabei mitnehmen wollte.«
    »Und?«
    »Und da hat er mich um Hilfe gebeten. Er hat mich gebeten, diesen Hinweisen nachzugehen. Er hat mich gebeten, deine Schwester zu suchen.«
    Ich sah ihn an.
    »Hast du das getan?«
    »Ich bin den Hinweisen nachgegangen, ja.« Er trat einen Schritt näher an mich heran. »Und als ich das getan hatte, habe ich deinem Vater gesagt, dass er sich geirrt hatte.«

    »Was?«
    »Ich habe deinem Vater gesagt, dass deine Schwester in jener Nacht im Wald gestorben ist.«
    Ich war verwirrt. »Ist sie das?«
    »Nein, Pavel. Sie ist in jener Nacht nicht gestorben.«
    Ich spürte, wie sich mein Herz in der Brust ausdehnte. »Du hast ihn belogen? Du wolltest nicht, dass er sie findet?«
    Er sagte nichts.
    »Und jetzt? Wo ist sie jetzt?«
    »Deine Schwester wusste, was dein Vater getan hat. Sie konnte damit natürlich nicht zur Polizei gehen. Es gab keine Beweise für seine Tat. Und an den Gründen für ihr ursprüngliches Abtauchen hatte sich ja auch nichts verändert. Außerdem hatte sie natürlich Angst vor deinem Vater. Wie hätte sie zu dem Mann zurückkehren sollen, der ihre Mutter ermordet hat?«
    Ich dachte an die Perez’, den Betrugsvorwurf und alles, was sonst noch dazugehörte. Das wäre bei meiner Schwester ganz ähnlich gewesen. Selbst wenn man die Tat meines Vaters nicht in die Gleichung mit einbezog, wäre es für Camille kompliziert gewesen, nach Hause zu kommen.
    Wieder keimte Hoffnung in meiner Brust.
    »Also hast du sie gefunden?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Und ich habe ihr Geld gegeben.«
    »Du hast ihr geholfen, sich vor ihm zu verstecken?«
    Er antwortete nicht. Das war auch nicht nötig.
    »Und wo ist sie jetzt?«, fragte ich.
    »Wir haben schon vor Jahren den Kontakt zueinander verloren. Du musst das verstehen. Camille wollte dir nicht wehtun. Anfangs hat sie überlegt, ob sie dich zu sich holen sollte, aber das wäre unklug gewesen. Schließlich wusste sie ja auch, wie
sehr du deinen Vater geliebt hast. Und später, als du eine Person des öffentlichen Lebens warst, musste sie auch noch an den Skandal denken, den ihre Rückkehr hervorgerufen hätte, und den Schaden, den sie damit angerichtet hätte. Deine Karriere wäre zu Ende gewesen.«
    »Das ist sie jetzt auch.«
    »Ja. Das ist uns inzwischen auch klar geworden.«
    Uns. Er hatte uns gesagt.
    »Und wo ist Camille jetzt?«, fragte ich.
    »Sie ist hier, Pavel.«
    Plötzlich war keine Luft mehr im Raum. Ich konnte nicht mehr atmen. Ich schüttelte den Kopf.
    »Nach all den Jahren hat es eine Weile gedauert, bis ich sie gefunden habe«, sagte er. »Aber ich hab’s geschafft. Wir haben geredet. Sie wusste nicht, dass euer Vater gestorben war. Ich habe es ihr erzählt. Und damit hat sich natürlich alles verändert.«
    »Halt. Du …« Ich brach ab. »Du hast mit Camille gesprochen?«
    Es muss wohl meine Stimme gewesen sein.
    »Ja, Pavel.«
    »Ich versteh nicht.«
    »Sie war am Telefon, als du reingekommen bist.«
    Mir wurde eiskalt.
    »Sie wohnt in einem Hotel zwei Straßen weiter. Ich habe ihr gesagt, dass sie rüberkommen soll.« Er schaute auf die Fahrstuhlanzeige. »Das ist sie. Sie kommt hoch.«
    Ich drehte mich langsam um und sah auf die Anzeige über der Fahrstuhltür. Ich hörte das Ping. Ich machte einen Schritt auf die Tür zu. Ich konnte es nicht glauben. Das war nur wieder so ein grausamer Trick. Wieder spielte die Hoffnung mir einen Streich.
    Der Fahrstuhl hielt an. Ich hörte, wie die Tür anfing, sich zu öffnen. Sie glitt nicht. Sie bewegte sich widerwillig, als hätte
sie Angst, ihren Passagier zu entlassen. Ich erstarrte. Das Herz trommelte in der Brust. Mein Blick war unverwandt auf die Tür gerichtet, auf den
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