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Im Netz des Verbrechens

Im Netz des Verbrechens

Titel: Im Netz des Verbrechens
Autoren: Olga A. Krouk
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Nick
    Es ist dunkel. Herbstanfang. Die Uhr zeigt 06:07, und mein Atem schlägt feine Wölkchen in die Luft.
    Ich laufe auf den Zug zu, sehe ihn von Weitem auf den verlassenen Gleisen mitten im spärlichen Wäldchen stehen; das Licht meiner Taschenlampe irrt durch den feinen Bodennebel und zupft an den hochgewachsenen Grashalmen und Zweigen des Gestrüpps, überwiegend Büsche und verkrüppelte Bäumchen links und rechts der Gleise. Ich darf kein unbedachtes Geräusch machen.
    Mich erfasst ein Gefühl der Beklemmung, weil ich weiß, dass ich nicht gewinnen kann. Egal, wie oft ich es versuche. Ich kann es nicht.
    06:15
    Um 07:00 verbrennen die Spuren und zwei hübsche Mädchen. will warm fließen.
    Ich habe den Zettel nur einmal gelesen, aber ich kenne bereits jedes einzelne Zeichen, auch die kyrillischen. Wer auch immer den Zettel geschrieben hat, er weiß viel über mich. Zu viel.
    Die GPS-Koordinaten haben mich zu diesem umgebauten ICE geführt. Im Inneren des Zuges befindet sich eine Bar. Auf den Regalen vor einem Spiegel sind Spirituosen und Weine von erlesener Qualität aufgestellt. Die zu einem Drittel leere Flasche des fünfundzwanzig Jahre alten The-Macallan-Whisky steht als einzige auf dem glänzend polierten Tresen.
    Die Pistole im Anschlag schleiche ich den Gang entlang. Auf dem dunklen Teppich zeichnen sich noch viel dunklere Flecken ab, beunruhigend groß. Ich will nicht an das Blut denken, aber ich sehe es überall. Das Licht der Taschenlampe irrt durch die Dunkelheit, stößt gegen die Wände und spiegelt sich in den Fenstern. Ich höre meinen Herzschlag. Und trete in den nächsten Waggon.
    Rasch versuche ich mit dem Lichtstrahl den gesamten Raum zu erfassen, leuchte die Ecken aus – er streift ein Mädchen. Eine junge Frau. Sie hängt an Ketten schräg über dem Boden. Ihr Kopf ist in den Nacken gelegt, die weit aufgerissenen Augen starren in meine Taschenlampe. Die halb geöffneten Lippen glänzen rot. Das Gesicht ist weiß geschminkt wie eine venezianische Maske. Ihre Tränen haben verzweigte Muster auf die Wangen gezeichnet.
    06:18
    Von draußen kratzen Zweige an die Seiten des Zuges.
    Ihr Körper lässt all die perversen Spiele erahnen, die sie über sich hat ergehen lassen müssen. Sie ist noch warm, als ich nach ihrem Puls taste, aber tot. Niemand überlebt so einen Kopfschuss.
    … und zwei hübsche Mädchen … Das erste habe ich gefunden.
    Wenn ich die Lider schließe, sehe ich die toten Augen, die in meine Taschenlampe starren. Also setze ich alles daran, nicht die Lider zu schließen. Ich muss wachsam bleiben.
    06:20
    Ich konzentriere mich auf meine Körperhaltung, erlaube der Waffe nicht, in meinen Händen zu zittern. Ein Waggon liegt noch vor mir, und ich weiß, dass ich dort das zweite Mädchen finden werde. Ich trete ein, das Licht der Taschenlampe huscht durch den Raum, ich mache noch einen Schritt und stolpere über etwas Weiches.
    Das Mädchen liegt zu meinen Füßen. Eine einst lebendige Projektionsfläche für abartige Body-Painting-Fantasien. Ihre blasse Haut ist über und über mit Ornamenten bedeckt, die ein wenig indisch anmuten, ich weigere mich, darüber nachzudenken, ob das Blut, mit dem sie bemalt ist, ihr eigenes ist. Ihre Arme und Beine sind ausgestreckt, die Hände und Füße mit Bolzen am Boden festgenagelt. In der Mitte der Stirn – die Eintrittswunde einer Kugel.
    … zwei hübsche Mädchen … zwei hübsche Mädchen … und eine Katze. Der kleine, pelzige Leib ist auf dem nackten Bauch der Leiche arrangiert. Vorsichtig hebe ich das Tier auf die Arme. Fühle, wie es in meinen Händen atmet. Jemand hat ihr das Fell in kleinen Streifen vom Gesicht geschält, es hängt in blutfeuchten Striemen herunter. Ich höre meinen Herzschlag. Und ein Geräusch. Die Pistole ist wieder in meiner ausgestreckten Hand. Die Katze in der anderen. Über das Visier suche ich ein Ziel, finde jedoch keins. Langsam hebt sich die Sonne dem neuen Tag entgegen.
    06:28
    Noch ein Geräusch. Irgendwo in der Nähe. In der Fahrerkabine des ICE.
    Vorsichtig lasse ich die kleine Katze auf den Boden sinken. Ich will, dass sie lebt. Ich will, dass sie weiter atmet und der Misshandlung trotzt. Die Pistole fühlt sich vertraut an in meinen Händen, die aufgehört haben zu zittern, weil sie noch etwas Leben aus diesem Zug davontragen können. Und sie wollen den Scheißkerl kriegen, der für all das hier verantwortlich ist.
    Die Tür ist zu. Ich schieße das Schloss auf und trete sie ein. Mein
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