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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald
Autoren: H Coben
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Privatdetektive an Lucy geschickt haben«, sage ich.
    »Ah.«
    »Ich habe mich gefragt, wer uns da im Wald gesehen hat, aber da hatte Lucy vollkommen Recht. Nur eine Person konnte das wissen: der Mörder. Also du, Wayne.«
    Er breitet die Hände aus. »Die Bescheidenheit gebietet mir zu schweigen.«
    »Du hast MVD die Informationen gegeben, die sie für diese Berichte benutzt haben. Du warst ihre Quelle.«
    »Bescheidenheit, Cope. Wieder muss ich mich auf meine Bescheidenheit berufen.«
    Es macht ihm Spaß.
    »Wie hast du Ira dazu gebracht, dir zu helfen?«, frage ich.
    »Den lieben Onkel Ira? Diesen durchgeknallten Hippie?«
    »Ja, Wayne.«
    »Er hat mir nicht groß geholfen. Ich musste nur dafür sorgen, dass er sich da raushält. Weißt du – und das schockiert dich jetzt vielleicht, Cope –, aber Ira hat Drogen genommen. Ich hatte Fotos und Beweise. Wenn ich das öffentlich gemacht hätte, wäre das das Ende von seinem tollen Ferienlager gewesen. Was hätte er also machen sollen?«
    Er lächelt weiter.
    »Und als Gil und ich dann gedroht haben, die ganze Sache wieder aufzurollen«, sage ich, »hat Ira es mit der Angst zu tun gekriegt. Wie du schon sagtest, war er damals schon ein bisschen
durchgeknallt – und das war im Lauf der Zeit sehr viel schlimmer geworden. Er war so paranoid, dass er kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Du warst keine Gefahr mehr, dich hatten sie schon weggesperrt – also konnten Gil und ich das nur verschlimmern, indem wir es wieder ans Licht der Öffentlichkeit brachten. Also ist Ira in Panik geraten. Er hat Gil zum Schweigen gebracht, und bei mir hat er es dann auch versucht.«
    Wieder lächelt Wayne.
    Aber da liegt noch etwas anderes in seinem Lächeln.
    »Wayne?«
    Er sagt nichts. Er grinst nur. Mir gefällt das nicht. Ich überlege, was ich gerade gesagt habe, und es gefällt mir immer noch nicht.
    Wayne lächelt weiter.
    »Was ist?«, frage ich.
    »Du übersiehst da was, Cope.«
    Ich warte.
    »Ira ist nicht der Einzige gewesen, der mir geholfen hat.«
    »Ich weiß«, sage ich. »Gil war auch dabei. Er hat Margot gefesselt. Und meine Schwester hat auch mitgemacht. Sie hat dir geholfen, Margot in den Wald zu locken.«
    Wayne zwinkert und hält Daumen und Zeigefinger einen Zentimeter auseinander. »Eine winzige Kleinigkeit hast du immer noch übersehen«, sagt er. »Eine winzige Kleinigkeit, die ich all die Jahre für mich behalten habe.«
    Ich halte die Luft an. Er lächelt nur. Ich breche das Schweigen.
    »Was?«, frage ich.
    Er beugt sich vor und flüstert: »Dich, Cope.«
    Ich kann nicht sprechen.
    »Du vergisst deine Rolle darin.«
    »Ich kenne meine Rolle«, sage ich. »Ich habe meinen Posten verlassen.«

    »Ja, das stimmt. Und wenn du das nicht getan hättest?«
    »Dann hätte ich dich aufgehalten.«
    »Genau«, sagt Wayne und wiederholt dann ruhig. »Ganz genau.«
    Ich warte auf mehr. Er sagt nichts.
    »Wolltest du das hören, Wayne? Dass ich mich mitverantwortlich fühle?«
    »Nein. So einfach ist das nicht.«
    »Was dann?«
    Er schüttelt den Kopf. »Du übersiehst den springenden Punkt.«
    »Welchen springenden Punkt?«
    »Überleg doch mal, Cope. Es stimmt, du hast deinen Posten verlassen. Aber du hast es selbst gesagt. Ich hatte alles bis ins Letzte geplant.«
    Er formt mit den Händen einen Trichter vor dem Mund und flüstert.
    »Dann verrat mir eins: Woher wusste ich, dass du an dem Abend nicht auf deinem Posten bist?«

    Lucy und ich fahren in den Wald.
    Ich habe schon die Genehmigung von Sheriff Lowell, also winkt der Wachmann, vor dem Muse mich gewarnt hat, uns einfach durch. Wir stellen den Wagen auf dem Parkplatz der Wohnanlage ab. Es ist seltsam, weil weder Lucy noch ich in den letzten zwanzig Jahren hier waren. Natürlich gab es diese Siedlung damals noch nicht. Trotzdem wissen wir nach so langer Zeit noch ganz genau, wo wir sind.
    Das ganze Land hatte Lucys Vater gehört, ihrem geliebten Ira. Wie Magellan war er hier damals angekommen und hatte eine neue Welt entdeckt. Wahrscheinlich hatte Ira sich diesen Wald angeguckt und dann seinen Lebenstraum wahrgemacht:
ein Camp, eine Kommune, einen Lebensraum frei von menschlichen Sünden, ein Ort des Friedens und der Harmonie oder so, auf jeden Fall etwas, das seinen Werten entsprach.
    Der arme Ira.
    Die meisten Verbrechen, die mir unterkommen, haben ihren Ursprung in etwas ganz Kleinem. Eine Frau bringt ihren Mann mit irgendeiner Belanglosigkeit auf die Palme – weil sie die Fernbedienung verlegt
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