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Das Versprechen deiner Lippen

Das Versprechen deiner Lippen

Titel: Das Versprechen deiner Lippen
Autoren: Barbara Dunlop
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1. KAPITEL
    Staub wirbelte unter Caleb Terrells Slippern auf, als er auf den Eingang seines Elternhauses zuging. Er wollte zu seinem Bruder, der ihn zehn Jahre lang mit Verachtung gestraft hatte. In seiner Bulgari-Aktentasche befand sich eine Kopie des Testaments seines verstorbenen Vaters, und quälende Fragen schwirrten ihm im Kopf herum. Die Terrell-Ranch hatte sich kaum verändert. Das zweistöckige Backsteinhaus war perfekt instand gehalten, und die frische Bergluft Nord-Colorados duftete vertraut nach Weizengras und Kiefern.
    Er trat auf die breite Veranda und wünschte sich, er hätte in Lyndon haltgemacht und Jeans und Stiefel angezogen. Doch mittlerweile war er ein erfolgreicher Geschäftsmann und kein Cowboy mehr. Und das Letzte, was er wollte war, sich hier zu Hause zu fühlen.
    Sein Bruder Reed würde alles andere als erfreut sein, ihn hier zu sehen, aber ungewöhnliche Zeiten erforderten ungewöhnliche Maßnahmen.
    Caleb überlegte, ob er einfach ohne Vorwarnung ins Haus platzen sollte. Schließlich gehörte ihm dieses Anwesen, und Reed hatte über eine Woche lang seine Anrufe ignoriert. Allerdings hatte sich Caleb in den vergangenen zehn Jahren kein einziges Mal bei seinem Zwillingsbruder gemeldet. Auch Reed hatte in all den Jahren keinen Kontakt zu Caleb gesucht.
    Nun war jedoch ihr Vater gestorben. Sonst hätte Caleb sicher niemals mehr einen Fuß auf die Terrell-Ranch gesetzt. Hätte er es versucht, hätte man ihn wahrscheinlich wie einen streunenden Kojoten erschossen. Was den Inhalt des Testaments umso verblüffender machte.
    Caleb klopfte dreimal kurz und kräftig.
    In der darauf folgenden Stille ließ er den Blick über den Hof schweifen, frischte seine Erinnerungen auf und bereitete sich innerlich auf das bevorstehende Gespräch vor.
    Die große Scheune war wohl erst vor Kurzem dunkelgrün gestrichen worden, und die kerzengeraden Zaunpfosten der Pferdekoppeln glänzten weiß in der Nachmittagssonne. Er wusste, jeder Winkel des Zauns maß genau neunzig Grad, die Pfosten standen exakt einen Meter achtzig auseinander, und zwischen den Querstangen war ein Abstand von jeweils sechzig Zentimetern. Die Sonne blendete, und er kniff die Augen zusammen, um schärfer zu sehen.
    Auf der Weide dahinter grasten schwarze Angusrinder auf den grünen Hügeln zwischen Espen- und Kiefernwäldchen. Am Horizont ragten die schneebedeckten Gipfel der Rockies in den dunstigen Himmel. Ein halbes Dutzend Pick-ups standen vor den Geräteschuppen. Am hinteren Ende der Scheune glänzte ein blitzblanker Mähdrescher in der Sonne, und eine Hühnerschar pickte rund um die gewaltigen Profilreifen im Boden herum. Auf einer der Koppeln bäumte sich ein Rappe auf, stürmte mit glänzend schwarzer Mähne über den Sand und kam dicht vor der Einzäunung mit wütend geblähten Nüstern zum Stehen.
    Caleb kannte das Tier nicht, das war allerdings nicht anders zu erwarten gewesen. Früher hatte er jedes einzelne der über fünfzig Pferde auf der Ranch beim Namen nennen können. Er atmete tief ein und roch den scharfen Duft nach Pferdedung. Sein Körper verspannte sich, als er sich an das jähzornige Temperament seines Vaters erinnerte. Ja, hier war fast alles beim Alten geblieben, und er hatte keinerlei Sehnsucht danach, hierher zurückzukehren.
    Sobald er die Erbangelegenheiten geregelt hätte, würde er in seinen Mietwagen steigen, zum Lyndon Flughafen fahren und mit seinem Privatjet nach Chicago zum Verwaltungssitz seines Unternehmens zurückfliegen.
    Auf Nimmerwiedersehen, Colorado!
    Er klopfte noch einmal.
    Diesmal rührte sich etwas im Haus. Er hörte leichte Schritte durchs Wohnzimmer eilen – also nicht sein Bruder Reed.
    Die Tür ging auf, und Caleb stand vor einer hübschen, brünetten jungen Frau. Sie mochte etwa eins fünfundsiebzig groß sein und trug ein dunkelblaues Kapuzenshirt mit tiefem V-Ausschnitt. Ihr Haar war lang und glänzend, die Lippen von einem dunklen Korallenrot, der Teint frisch, die Augenbrauen sanft geschwungen. Aus moosgrünen Augen blickte sie ihn klar und forschend an.
    Irgendwie kam sie ihm bekannt vor, aber vielleicht war das auch nur Wunschdenken. Selbst in verwaschenen Jeans und abgewetzten braunen Stiefeln fand Caleb sie so attraktiv, dass er sich wünschte, sie näher kennenzulernen. Dieser Impuls wurde sogleich gedämpft durch den Gedanken, sie könnte die Freundin, vielleicht sogar die Frau seines Bruders sein.
    Reflexartig fiel sein Blick auf ihre linke Hand. Kein Ring. Aber das musste ja
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