Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht
Autoren: Patrick Dunne
Vom Netzwerk:
Kinder keinen Respekt hatten.
    Und jetzt war sein Land im Begriff, der Europäischen Union beizutreten. Alle Dämme würden brechen, und das türkische Volk, in dem viele bereits vom Islam abfielen, würde von einer Flut des Bösen überspült werden.
    Es war Zeit für ihn, seine Pflicht zu tun. Seine kleine Rolle in der Geschichte zu spielen. Und er musste nicht zum Märtyrer werden dafür. Man würde ihn vielleicht sogar als Helden feiern.
    Nachdem er sich überzeugt hatte, dass ihm niemand folgte, ging Nazim zu einem Bereich, der für Besucher gesperrt war. Auf dem Weg dorthin kam er an einigen Holztüren in der Außenwand vorbei. Er fand es erstaunlich, dass Ayasofya nicht besser geschützt war. Es gab viele von diesen windigen Türen im Gebäude, und mehrere von ihnen gingen zu den Außenanlagen des Museums hinaus. Sie waren mit Vorhängeschlössern gesichert, und jedes Schloss hatte ein Drahtsiegel, das brach, wenn man sich darunter zu schaffen machte, aber damit hatte es sich auch schon in puncto Sicherheit. Nur vier Wachen patrouillierten auf dem Gelände, und zwei weitere waren in dem Wachhäuschen innerhalb des Eingangstors postiert, wenn jemand also Schaden anrichten wollte, konnte er mühelos die Mauer übersteigen, die das Gelände umgab, und durch eine der Türen einbrechen. Doch die Leute, mit denen er zu tun hatte, hegten ernstere Absichten.
    Er durchquerte die Seilabsperrung und ging eine steinerne Rampe hinunter. Treppen gab es nur wenige in dem alten Gebäude, da es wohl schwierig gewesen war, Material über sie hinauf- und hinunterzuschleppen. Wie man erst kürzlich entdeckt hatte, war diese spezielle Rampe hier dazu benutzt worden, Wasser zu transportieren.
    Am Ende der Rampe kam er zu einer stählernen Sicherheitstür – der einzigen im ganzen Gebäude. Er sah zu einer Kamera hinauf, die auf die Tür gerichtet war, und lächelte. Im Überwachungsraum würde der Bildschirm leer bleiben. Dafür hatte er gesorgt. Wahrscheinlich war ohnehin niemand dort. Nazim tippte einen Code in ein Tastenfeld neben der Tür, ging hindurch, als sie aufgeglitten war, und schloss sie hinter sich wieder. Dann lehnte er sich im Dunkeln an die Tür und atmete tief durch. Geschafft. »Allahu Akbar«, flüsterte er auf Arabisch. Es bewirkte, dass er sich stark fühlte, nicht weil es ein aufmunterndes Gebet war, sondern weil er es einsetzte wie ein echter Gotteskrieger: wie einen Kampfschrei.
    Nazim schwitzte, als er die Hand ausstreckte, einen Lichtschalter an der Wand ertastete und drückte. Das Licht erhellte einen kreisförmigen, weiß getünchten Raum mit einem Boden aus brüchigen Steinfliesen. Er befand sich in einem der ältesten Teile des Gebäudes, und auf dem Boden verstreut lagen Marmor- und Mosaikhaufen, altes Mobiliar und kalligrafische Tafeln – der Bauschutt früherer Restaurierungen. Und auf der gegenüberliegenden Seite zeigte ein Erdhügel an, wo Archäologen eine weitere Rampe freigelegt hatten, die zu einer aufgegebenen Zisterne unter dem Museum führte.
    Nazim löste seine Taschenlampe vom Gürtel und ging die zweite Rampe hinunter. Nach etwa zehn Metern kam er zu einem ebenen Abschnitt, seines Wissens früher eine Art Kai, der in die Zisterne hineingeragt hatte, damit man mithilfe einer flaschenzugähnlichen Vorrichtung Wasser heraufholen konnte. Er stellte sich an den Rand und leuchtete mit der Taschenlampe in die Dunkelheit unter ihm. Der Strahl erfasste Bruchstücke von Säulen und eingestürztes Mauerwerk – Wasser gab es keines mehr in der geräumigen Kammer. Er pfiff laut, und sein Pfiff hallte zurück. Aber dann hörte er eine andere Person pfeifen und rief einen Gruß. Der Mann antwortete ihm umgehend.
    Nazim wusste sofort, dass es Hakan war, weil dieser Türkisch mit einem amerikanischen Akzent sprach. Seine Familie war in die Vereinigten Staaten ausgewandert, aber er hatte ihre Lebensweise abgelehnt und war in die Türkei zurückgekehrt, um in einem islamischen Land leben zu können. Die beiden hatten sich in den letzten Wochen näher kennengelernt. Wochen, in denen Hakan den Entschluss in ihm geweckt hatte, etwas für seinen Glauben zu tun. Und im Verlauf ihrer Gespräche war ihnen die Idee, das Museum wieder in eine Moschee zu verwandeln, immer verlockender erschienen.
    Und jetzt kamen Hakan und die Männer, die er rekrutiert hatte, durch den Schutt auf ihn zu. Als Hakan den Kai erreichte, streckte er die Hand aus, damit ihm Nazim nach oben half. Dann holten sie einen nach dem anderen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher