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Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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einem großen Reservoir in einem benachbarten Tal bildete und von dort die Hänge heraufkroch.
    »Schau«, sagte er jetzt und berührte sie am Arm.
    Sie wandte den Kopf und sah, dass der Nebel die Kirche auf der tieferen Seite des abfallenden Platzes eingehüllt hatte.
    »Wird er sich lange halten?«
    »Möglicherweise den ganzen Tag. Und es wird auch Regen geben. Den ganzen Tag.« Er lächelte, seine sanften braunen Augen blitzten trotz seiner siebzig Jahre noch immer schalkhaft. Jane erkannte sein Alter nur daran, dass die ordentlich geschnittenen Haare und der Bart jetzt weiß waren wie der Nebel, der über die Brüstung quoll.
    »Regen?« Jane fröstelte, da die kühle Luft durch ihre leichte Kleidung drang. »Ich hatte gehofft, noch ein paar Fotos machen zu können.«
    »Und endlich eine Loricato zu erwischen?«
    »Das dürfte jetzt ziemlich aussichtslos sein. Vielleicht vom Friedhof, habe ich mir überlegt.«
    Giuseppe nickte. »Der scheint dich aus irgendeinem Grund zu faszinieren.«
    »Er ist anders.«
    »Vielleicht morgen früh, bevor du fährst? Wir könnten unterwegs anhalten.«
    Das wäre gegen 6.00 Uhr morgens. Sie musste früh aufbrechen, um nach Neapel zu kommen und einen Flug nach Dublin zu erwischen.
    »Wir werden sehen«, sagte sie und bemerkte, dass der Nebel am Glockenturm nach oben kroch. Wie um auf dieses Ereignis aufmerksam zu machen, läutete die Glocke neun Mal und ertönte dann noch zwei Mal in einem anderen Ton. Es war 9.30 Uhr. Jane spürte die ersten Regentropfen auf ihrem T-Shirt. Zeit, ins Haus zu gehen.
    Der Regen hörte den ganzen Tag nicht auf, und zu Janes Überraschung hielt sich der Nebel ebenfalls – offenbar eine Besonderheit des Bergwetters und der Grund für Giuseppes verschmitztes Lächeln. Sie unternahm mehrere Anläufe, sich mit der Kamera hinauszuwagen, wurde aber jedes Mal zurückgeschlagen, da es immer dann noch heftiger goss, wenn sie das Haus verließ. Sie hätte Giuseppes Auto nehmen können, wollte bei dem Nebel aber nicht in der Gegend herumfahren. Auch wenn weniger Verkehr herrschte, konnte man leicht von der Straße abkommen und in die Tiefe stürzen.
    Gegen Abend ließ der Regen schließlich nach, und sie beschloss, es auszunutzen. Mit der Kamera in ihrem Gehäuse und geschützt von der wasserdichten Jacke war sie eben an der Kirche vorbeigeschlüpft, um die erste von fünf Kopfsteinpflastertreppen hinunterzugehen, als sie sah, dass neben ihr ein kleiner Bach floss.
    Als sie den Fuß der ersten Treppe erreichte, hatte sich ein zweiter Bach, der aus einer der Dorfgassen strömte, zu dem ersten gesellt. Ehe sie sich’s versah, hatte das Wasser ihre leichten Turnschuhe erfasst. Sie trat an die Wand zurück und schaute um die Ecke. Die tiefer gelegenen Treppen waren fast vollständig von dem Sturzbach überspült. Von allen Seiten strömte das Wasser aus dem Gassengewirr des Dorfs zusammen. Sollte sie weitergehen? Sie sah sich um. Gebäude ragten aus dem Nebel, der sich endlich lichtete. Und der Regen ließ nach. Dann bemerkte sie ein paar Plastikflaschen voll Wasser auf manchen Türschwellen. In Sant’Elia glaubte man, dass sie Katzen abhielten, die hier fast wild zu leben schienen.
    War es Aberglaube, oder dachten die Leute wirklich, die Abneigung von Katzen gegen Wasser würde auch dann wirken, wenn sie es in einer Flasche sahen? Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie seit Verlassen des Hauses keinen anderen Menschen gesehen hatte. Vielleicht waren sie selbst ein wenig abergläubisch in Bezug auf Wasser. Es hätte sie nicht im Geringsten überrascht.
    Sie bog um die Ecke und lief in ihren durchnässten Turnschuhen am Rand der Treppe weiter abwärts, wo das Wasser nicht so hoch war. Und da sah sie das tote Kätzchen. Ein winziges, schwarz-weißes Ding, das auf dem Rücken in einem Torweg lag, in das es die Strömung gespült hatte. Das Fell war verfilzt, und eine zierliche Pfote ragte steif in die Luft. Jane bückte sich und erkannte, dass es keine Anzeichen für eine Verletzung gab. Das Kätzchen war offenkundig ertrunken. Wasser war also doch zu seinem Schicksal geworden.
    Während sie die Treppen hinunterstieg, hörte der Regen gänzlich auf, aber inzwischen war es nach sechs, und es wurde dunkler. Sie trat vorsichtig auf die Straße unterhalb der Mauern des Orts und sah, dass sich der Sturzbach, der die Treppen herunterkam, in einen tiefen Graben neben der Straße ergoss und darin talwärts rauschte.
    Und noch immer war kein Mensch unterwegs.
    Während sie in der

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