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Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht
Autoren: Patrick Dunne
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herauf – sechs Leute insgesamt, alle mit schwarzen Jacken und Sturmhauben und abgesehen von dem unbewaffneten Hakan jeweils mit einer AK -47 in den Händen.
    Zu Nazims Überraschung waren zwei Frauen unter ihnen. Hakan hatte ihm nicht gesagt, dass welche im Team sein würden, andererseits hatte er auch nicht danach gefragt.
    Außer Hakan sprach keiner von ihnen. Er befahl ihnen, die Rampe hinaufzulaufen und an der Sicherheitstür zu warten.
    Dann lächelte Hakan Nazim an. Seine schiefen Zähne wurden von dem Loch in der Sturmhaube eingerahmt. »Du hast deine Sache gut gemacht«, sagte er und holte ein Handy aus der Jacke. »Die Besucher sind da wie erwartet?«
    Nazim nickte. »Ja. Eine Gruppe internationaler Reiseveranstalter, wie ich sagte.«
    »Gut. Der Code ist der, wie er in deiner SMS stand?«
    »Ja. Der heutige Sicherheitscode.«
    »Bitte wiederhole ihn, Nazim.«
    Hakan ging kein Risiko ein.
    Nazim wiederholte den Code, und Hakan verglich ihn mit dem in seinem Handy gespeicherten.
    »Ich begleite euch für alle Fälle«, sagte Nazim.
    »Nein«, erwiderte Hakan, steckte sein Handy weg und nahm etwas aus einem Beutel an seinem Gürtel. »Besser, du wirst nicht weiter in die Sache verstrickt. Deshalb musst du fürs Erste hierbleiben.«
    Nazim war enttäuscht.
    »Allahu Akbar«, sagte Hakan und legte Nazim beruhigend eine Hand auf die Schulter. Dann beugte er sich vor und machte mit dem Gegenstand in seiner Hand ein Zeichen unter Nazims Kinn.
    Nazim fuhr ein stechender Schmerz in den Hals. Was hatte Hakan gerade an ihm vollführt? Eine Art Initiationsritus? »Allahu Ak…« Nazim begann, an etwas zu würgen. Als er auf die Knie sank und sich mit den Händen an die Kehle griff, erkannte er, dass es sein eigenes Blut war.

2
    Als die Bewohner von Sant’Elia an diesem Morgen erwachten, stellten sie fest, dass ihr kleiner Bergort nach Wochen mit klarem Himmel in einem Meer von Wolken trieb.
    Kurz nach dem Frühstück gingen Jane Wade und ihr Freund Giuseppe Rinaldi zum befestigten höchsten Punkt des Orts hinauf, vorbei an der Kirche und hinüber zur Brüstung am Rand der Piazza. Von dort konnten sie den Nebel direkt unterhalb von ihnen wabern sehen.
    Seit ihrer Ankunft hatte sich Jane jeden Tag auf Zehenspitzen an die Brüstung gestellt und über die nahen Hügel geblickt, deren Hänge in der Hitze schimmerten. Dahinter erhoben sich zwei höhere Gipfel, der eine kahl, der andere von einem Dorf gekrönt, dessen weiß getünchte Mauern und rote Dächer wie winzige Kacheln in der Ferne aussahen. Es war ein Dorf ohne Namen, oder zumindest mit einem Namen, den die Bewohner der anderen Dörfer in der Gegend nicht gern aussprachen. Sie sagten einfach das Dorf oder sogar das Dorf der Hexen .
    Wie ein Anhänger in das Dekolleté zwischen den beiden Gipfeln geschmiegt lag noch ein anderes Dorf: Collalba, die Heimat einer Gemeinde von Arbëresh – Albaner, deren Vorfahren im 15. Jahrhundert vom Balkan geflohen waren.
    In der Ferne hinter diesen nahen Gipfeln erhoben sich die mächtigen grauen Kolosse der südlichen Apenninen.
    Wenn sie sich weit genug streckte, wurde der Fuß der massiven Mauer normalerweise sichtbar, die schräg auf die Straße unten traf, dann folgte ihr Blick immer dem Verlauf der Straße, vorbei an dem alten Pferdetrog, der den Eingang zum Dorf markierte, am Friedhof links, der zum Teil hinter dunklen Zypressen versteckt lag, und dahinter rechts zu dem Fußweg, der in den Wald führte und auf dem sie immer ihren Morgenspaziergang gemacht hatte. Zumindest bis gestern. Da war sie einem wilden Eber begegnet, der den Weg entlangschnüffelte. Er war genauso erschrocken wie sie, und beide hatten in entgegengesetzte Richtung eilig die Flucht ergriffen.
    Dem berühmtesten Bewohner des Hügellands war sie bisher jedoch nicht begegnet: der Loricato-Kiefer, so benannt wegen ihrer dunklen Rinde, die an die metallenen Schuppenpanzer der römischen Zenturionen erinnerte. Außerhalb des Balkans wuchs dieser Baum nur hier in der Basilikata, mit bis zu tausend Jahre alten knorrigen und verkrüppelten Exemplaren an den windgepeitschten Hängen. Jane hatte gehofft, ein paar Bilder dieser eindrucksvollen Bäume schießen zu können, aber bislang hatte sie kein Glück gehabt.
    Schließlich verlor man die Straße im Wald aus dem Blick, wo sie sich nicht einsehbar ins Tal hinunterschlängelte.
    Doch nichts von alldem war heute sichtbar, es wurde verhüllt von dem Nebel, der sich, wie Giuseppe erklärt hatte, gelegentlich über
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