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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold...
Autoren: Marcia Muller
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1
     
    Ich blieb neben dem Wagen stehen und
wartete, bis der Bus, dessen Kontaktarm zischend die Oberleitung entlangglitt,
vorübergefahren war. Durch die erleuchteten Fenster konnte ich sehen, daß der
Bus bis auf den Fahrer und einen einsamen Fahrgast leer war. Es war zwei Uhr
morgens.
    Als die Straße frei war, ging ich
hinüber, wo sich die Lichter der Polizeifahrzeuge und des Rettungswagens im
nassen Asphalt spiegelten. Es mußte ziemlich schlimm sein. Ungefähr eine
Dreiviertelstunde zuvor hatte mich das beharrliche Läuten des Telefons aus
süßem Schlaf gerissen, und mein Brötchengeber hatte gesagt: »Sharon, komm in
die Salem Street. Ich erwarte dich vor Joan Albrittons Laden.«
    Hank Zahn, einer der Rechtsanwälte der
Pro te Kooperative, einer privaten Rechtsschutzorganisation in San Francisco,
hätte seine Rechercheurin niemals ohne triftigen Grund mitten in der Nacht aus
dem Bett geholt.
    Ich richtete mich verschlafen auf und
sagte: »Hat da vielleicht wieder jemand ein Feuerchen gelegt?«
    »Nein, es ist viel schlimmer. Diesmal
ist es Mord.«
    »Ich bin in spätestens einer halben
Stunde da.«
    Er legte auf, noch ehe ich
ausgesprochen hatte, und mir wurde bewußt, daß er mir nicht einmal gesagt
hatte, wer überhaupt getötet worden war.
    Als ich mich jetzt durch das Gedränge
der Neugierigen schob, sah ich Hank an der Tür zu Joan Albrittons
Antiquitätengeschäft stehen, wo er sich mit einem blonden Mann im hellen Trenchcoat
unterhielt. Hank war beinahe ebenso groß wie der andere Mann, wirkte aber
schlaksig neben ihm, als seien seine langen Gliedmaßen an den Gelenken mit
Büroklammern zusammengehalten. Wie immer hatte er seinen Mantel zu Hause liegen
gelassen, und seine Cordjacke hatte dunkle Wasserflecken. In der regenfeuchten
Luft krauste sich sein hellbraunes Haar noch mehr als sonst.
    Als ich mich den beiden näherte, zog
Hank mich gleich in den Schutz der Türnische.
    »Das ist Miss McCone, Sharon McCone,
unsere Rechercheurin«, sagte er zu dem großen Mann. Zu mir gewandt fügte er
hinzu: »Lieutenant Gregory Marcus vom Morddezernat.« Marcus, helle Augen unter
vollen, dunklen Brauen, musterte mich mit einem kurzen, scharfen Blick.
    »Sie sind den Brandstiftungen und den
Fällen von Vandalismus hier in der Gegend nachgegangen, nicht wahr?« Mit einer
Geste umschloß er die ganze Straße.
    Ich bejahte.
    Marcus zögerte einen Moment, und ich
machte mich bereits auf eine Variante des üblichen Kommentars gefaßt, der da
lautet: Was hat denn ein hübsches Mädchen wie Sie mit solchen häßlichen
Geschichten zu tun?
    Doch damit verschonte der Lieutenant
mich. Statt dessen zog er die Mundwinkel ein wenig herab und sagte: »Wir
brauchen auf jeden Fall Ihre Aussage, aber das hat Zeit bis morgen früh. Im
Augenblick können wir hier nichts weiter tun, als den Freunden von der
Spurensicherung freie Bahn zu lassen und die Leiche wegzubringen.«
    Er wandte sich ab, um einem
uniformierten Beamten zu winken.
    Ich faßte Hank am Arm. »Wer ist es,
Hank? Du hast vergessen, es mir zu sagen.«
    »Joan Albritton.«
    Mir wurde ganz elend. Joan Albritton,
eine Mandantin Hanks, war eine energische kleine Person, Antiquitätenhändlerin,
die mit ihren siebenundfünfzig Jahren mehr Vitalität besaß als die meisten
Leute, die nur halb so alt waren wie sie. Was? Was ist da passiert.
    »Ach Gott«, sagte ich leise. »Wer hat
das getan?«
    »Das weiß man nicht. Es gibt bis jetzt
keine Hinweise. Die Polizei meint, daß sie mit einem ihrer eigenen Messer
erstochen worden ist - aus einer Vitrine neben der Kasse.« Ich fing an zu
zittern, hatte Mühe, mich zu beherrschen.
    »Wie hast du es so schnell erfahren?«
fragte ich.
    »Charlie Cornish hat mich angerufen.«
Charlie gehörte der Trödlerladen gegenüber. »Am besten, wir gehen zu ihm rüber.
Er hat wenigstens einen warmen Kaffee, und hier können wir sowieso nichts tun.«
    Sie trugen jetzt die Leiche heraus. Wir
wichen von der Ladentür auf die Straße zurück, und ich verlor Hank im Gewühl.
Aus dem Regen war feiner, feuchter Dunst geworden — typisches Wetter für San Francisco
im Februar. Ich warf nur einen kurzen Blick auf die zugedeckte Gestalt auf der
Trage, dann wandte ich mich ab. Im selben Moment sah ich Lieutenant Marcus.
    Ich drängte mich zu ihm.
    »Lieutenant Marcus«, sagte ich, »kann
ich mich mal im Laden umsehen?«
    Er sah mich nachdenklich an, zögerte.
»Hm, Sie sind also Zahns Rechercheurin, wie?« Er zuckte die Achseln und brachte
mich zur
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