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Das Haus in der Eve-Street

Das Haus in der Eve-Street

Titel: Das Haus in der Eve-Street
Autoren: Matthias Goosen
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    Das Haus
    in der Eve-Street
    © Judas-Verlag, 2013
     
    Eine Kurzgeschichte
    Von
    Matthias Goosen
     
    Titelbild by Mischa-Models, Berlin 2013
     
     
     
     
     
     
     
     
    Für Thomas M.
    Du bist etwas ganz Besonders, bewahre es dir gut auf!
     
     
     
     
     
     
     
     
    … denn Gnade hat ein menschlich Herz,
    Und Mitleid ein menschlich Antlitz,
    Und Liebe, des Menschen göttliche Gestalt,
    Und Friede, des m enschlichen Kleid
     
    William Blake, Gesänge der Unschuld ,
    (‚Das göttliche Abbild‘)
     
     
     
     
     
     
     
     
    Die Freude des einen
    ist das Leid des anderen
     
    27. März 1898
     
    Eine lange Zeit war ich als Bediensteter in einem schönen Haus in der Eve-Street im Vorort von Manchester, New Hampshire, tätig. Meine Tante davor hatte schon eine Anstellung in demselben Haus gehabt und so war es für mich nicht weiter schwer in ihre Fußstapfen zu treten. Da aber Frauen in einem noblen Haus wie diesem andere Aufgaben zu erfüllen haben als Männer, kann man ihre Stelle nicht wirklich mit meiner vergleichen. Aber in einer Familie hilft man sich, wenn man einen Job, Geld oder seelischen Beistand braucht. Meine Eltern habe ich recht früh verlassen, weil ich gemerkt habe, dass ich anders bin … Aber die Familie Goodsen, bei denen ich als Dienstmann arbeite, sind auch anders. Ich verdiente bei ihnen nicht viel, aber dafür hatte ich einen Platz zum Schlafen, immer genug zu Essen und der Hausherr war auch immer nett zu mir … besonders des Nachts. Es war kein großes Geheimnis unter uns Dienstboten, dass sich Quinn Goodsen, wenn seine Frau wieder länger im Bridgeclub saß, gerne Vergnügen schaffte, dann allerdings nicht mit Alkohol, Spielkarten oder mit teuren Ausflügen sondern mit einem von uns Bediensteten. Meistens wurde ich ausgesucht, was mich nicht störte. Denn er behandelte die jungen Männer, die er für seine nächtlichen Spiele gebrauchte, ziemlich fair und freundlich. Tagsüber konnte er ein ganz anderes Gesicht von sich preisgeben. In diesen speziellen Nächten vollführte er die Kunst der Verführung, indem er wie ein Gentleman den Mann seiner Wahl mit Pralinen und feinem Gebäck willig machte. Darauf folgte stets ein guter Champagner oder ein anderer besonderer Wein, der aus der Gegend um New Hampshire kam. Nach dem edlen Tröpfchen Alkohol ging es dann zur Sache.
      Mr. Goodsen ist aber kein Unmensch gewesen und er hat uns Dienstboten zu nie etwas g ezwungen. Außer einmal …
      Es war eine fürchterliche Nacht gewesen, draußen stürmte es und er machte sich zuerst wirklich Sorgen um seine Frau, wie ich hörte. Ich stand in der Speisekammer mit unserem alten Hausdiener Ruben, der aussah, als käme er aus dem letzten Jahrhundert gekrochen und zählte die Vorräte, die er auf einer Liste notierte. Wir nahmen nämlich eine Bestandsliste unserer Vorräte auf. Normalerweise war das die Aufgabe der Köchin des Hauses, aber die war zu diesem Zeitpunkt verstorben. Mrs. Pintsy war von uns gegangen und ihre Nachfolgerin war das Küchenmädchen Loreen, die ab dem Zeitpunkt Mrs. Loreen genannt werden wollte, weil sie zur Hausköchin aufgestiegen war. Mrs. Pintsy hatte etwas bei der Lunge gehabt, wie man uns sagte. Aber damals konnte man noch nicht feststellen, was es wirklich war. Man diagnostizierte ihr, sie habe eine schwache Lunge und würde bald sterben. Doch ich sagte, dass es etwas anderes gewesen sein musste, denn gleich wie Mrs. Loreen, so hat auch Mrs. Pintsy – Gott sei ihrer Seele gnädig – unheimlich viel geraucht, wie ein alter Kaminschlot einer Stahlfabrik qualmte es aus ihrer Kemenate, wenn sie sie morgens öffnete, um ihre Arbeitsstätte aufzusuchen. Mrs. Loreen, die Nachfolgerin, gab ebenso fast ihr ganzes Geld für Marihuana aus, das ihr die Matrosen aus Übersee mitbrachten. Sie sagte immer zu mir: „Junge, das ist der Grund, warum ich immer so gut gelaunt bin und mir niemand etwas anhaben kann.“ Mit diesen Sätzen hielt sie ihre Zigarette hoch und nickte, dabei rutschten ihre dicken Brillen auf ihrer knubbeligen Nase auf und ab.
      Mrs. Loreen kam sich immer abgeschoben und vernachlässigt vor. Sie hatte Zeit ihres Lebens auch von keinem Mann Besuch bekommen oder wurde für einen ausgesucht, was damals nichts Ungewöhnliches war. Das machte sie oft traurig. Sie erzählte mir, dass meine Tante ein schli mmes Luder gewesen sei, wenn sie mal zu tief in den Apfelwein geschaut hatte. Ich denke, dass meine Tante und Mrs. Loreen ein Verhältnis miteinander
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