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Das Haus in der Eve-Street

Das Haus in der Eve-Street

Titel: Das Haus in der Eve-Street
Autoren: Matthias Goosen
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dass er zu Thomas, der ein Zimmer weiter – alleine – wohnte, für seine Dienste gebrauchen wollte.
      Aber Mr. Goodsen blieb vor unserer Tür stehen, und Markus hatte eigentlich nichts zu befürchten gehabt, weil ich ihn mit meinem Einsatz freikaufen wollte. Mr. Goodsen trat ein. Er hatte einen Schlafrock an und hielt eine Kerze. Eigentlich sah er aus wie das Schreckgespenst von New Hampshire, mit seinen weißen Locken und dem weiten Schlafgewand.
      Draußen peitschte der Regen gegen das Haus und Mr. Goodsen sagte: „Markus, ich brauche dich heute Nacht.“
      Sofort stand ich auf und sagte, dass sich Markus nicht gut fühle und dass ich mich für Thomas freiwillig anbiete.
      Doch Mr. Goodsen ließ sich von meinem Worten nicht ablenken, er verlangte nach Markus und diesen wolle er jetzt haben. Tot oder lebendig. Markus stand langsam auf und ging mit seinem Herrn mit. Es brach mir fast das Herz, Markus so leiden zu sehen. Aber insgeheim dachte ich mir, dass er sich schon über das Geld, das er dafür bekam, freuen würde. Er kam seinem Traum wieder ein Stück näher, so blauäugig dachte ich jedenfalls.
      Mitten in der Nacht wachte ich allerdings auf. Der Tag hatte mich müde gemacht und deshalb nutzte ich die Gelegenheit alleine zu schlafen, was sehr selten vorkam. Und alleine in einem Zimmer zu sein, hieß, das Schnarchen des anderen nicht ertragen zu müssen.
      Aber ein Schrei weckte mich. Zuerst glaubte ich, dass es der Wind gewesen war, der um die Hausmauern heulte, aber es war nicht der Wind gewesen. Wieder hörte ich ein dumpfes und starkes Geschrei einer Frau. Als ich die Tür öffnete, wurde das Haus gerade beleuchtet und Mrs. Goodsen schrie auf Teufel komm raus. Mrs. Loreen kniete mit ihr auf dem Boden, dazu kam Anna, das Hausmädchen, auch sie kniete sich zu Mrs. Loreen und zu Mrs. Goodsen nieder. Was war geschehen? Ich kam verschlafenen Blicks die Treppe hinunter und sah den nackten Mr. Goodsen am Boden liegen. Er war mit letzter Kraft aus dem Schlafzimmer, das er für seine Zwecke im ersten Stock benutze, gerochen und dort am Flur elendiglich verblutet.
      Er war erstochen worden.
      Die Frauen schrien.
      Und Markus war verschwunden.
     
    *
     
    An den darauffolgenden Tagen kam die Polizei und stellte viele Fragen, die ich alle so beantwo rtete, wie ich sie beantworten musste: mit der Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
      Sie fanden Markus wenig später, verhärmt und schäbig unter einer Brücke. Zusammengerollt mit Zeitungspapier hatte er auf den Tod gewartet. Wie traurig ich diese Geschichte gefunden hatte, kann ich gar nicht erzählen. Markus wollte nicht von dem alten Mann genommen werden, es war schrecklich für ihn, die Schmerzen, der Alkohol und egal wie viel er davon getrunken hatte, es half nichts. So nahm er im betrunkenen Zustand seinen Mut zusammen und sagte dem Hausherrn, dass er nie wieder diese Art von Dienste machen werde, so berichtete es Markus der Polizei. Und daraufhin entfachte ein Streit, ein Gerangel, das in eine Schlägerei mündete, die mit dem Tod von Mr. Goodsen endete.
      Markus wurde verurteilt, weil er jemanden getötet hatte. So einfach war das, und Mrs. Goodsen verkaufte Haus, Grund, Garten alles , was sie zu Geld machen konnte, um wegzuziehen. Sie wollte in einer anderen Stadt neu anfangen, weil sie die Schande, die ihr Mann über das Haus und die Familie gebracht hatte, nicht länger ertragen wollte. Nur verständlich, denn die halbe Stadt unterhielt sich über dieses Haus. Es wollte niemand kaufen. Und es wurde daher spottbillig verkauft. Es war so billig gewesen, dass ich und Thomas es kaufen konnten. Wir beide wollten nicht für andere arbeiten, wir wollten uns etwas Eigenes aufbauen. Etwas, das es noch nie zuvor gab. Ein Freudenhaus auch für Schwule …
      Mrs. Loreen blieb unsere Köchin und das Hausmädchen Anna begleitete Mrs. Goodsen. Sie sagte, dass sie mit so einer Geschichte nichts zu tun haben und deshalb nicht bleiben wolle. Und Mrs. Loreen sagte, typisch mit einer Zigarette in der Hand: „Das kann noch heiter werden. Aber mir ist es egal, ich lache sowieso immer.“
      Sie vertraute mir sogar an, dass sie fast gelacht hätte, als sie Mrs. Goodsen auf dem Boden kniend über ihren Ehemann vorfand. „Sie hat den Boden nie näher berührt“, sagte sie schmunzelnd, „aber als ihr Mann auf ihm lag, musste sie sich tief hinunter bücken“, und wieder nickte sie und ihre dicke Brille rutschte die Nase rauf und
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