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Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Titel: Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Autoren: Eva Müller
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öffentlichen Einrichtungen für die Kirche arbeiten. In Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen. Wie jeder kirchliche Angestellte hat sie mit ihrem Arbeitsvertrag unterschrieben, dass sie sich an die Regeln ihres Arbeitgebers zu halten hat. Dass sich die Einrichtung, in der sie arbeitet, als Teil der Kirche begreift und ihrem »Sendungsauftrag« dient. Dass sie als katholische Mitarbeiterin nicht nur die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennt und beachtet, sondern dass sie auch ihr eigenes Leben im Sinne dieser Grundsätze führen wird, um die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht zu gefährden.
    Aber dann zerbrach ihre Ehe. Sie zog aus, verliebte sich und zog zu ihrem neuen Partner. Ein Verstoß gegen die Loyalität zu ihrem Arbeitgeber, entschied die katholische Kirche und kündigte ihr, wie anderen Angestellten zuvor. Weil sie neu geheiratet, sich offen zu ihrer Homosexualität bekannt oder ein uneheliches Kind bekommen hatten. All das widerspricht der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche.
    Bernadette Knecht ist also eine von vielen – und zugleich auch nicht. Denn in ihrem Fall gab es nicht nur sie und die Kirche, sondern auch Eltern, die sie unbedingt als Kindergärtnerin halten wollten. Denen ihre neue Beziehung egal war, weil sie ihre Arbeit so schätzten. Die für Bernadette Knecht stritten, die Kündigung rückgängig machen wollten und dabei etwas Überraschendes feststellten: dass die Kirche der Träger des Kindergartens ist, dass sie Personal aussucht, ihm kündigt und sich bevorzugt für katholische Kinder entscheiden kann, dass sie ihn aber gar nicht finanziert. Und dass das kein Einzelfall ist.
    Dieses Buch begleitet die Eltern und Bernadette Knecht auf der einen und die Kirchenvertreter auf der anderen Seite durch ein besonderes Jahr. Es erzählt eine Geschichte, die wie eine Parabel für das Verhältnis zwischen Kirche und Staat steht; sie handelt von Konflikten, die Hunderttausende Menschen erleben – in konfessionellen Krankenhäusern, Schulen oder Altersheimen.
    Der Fall von Bernadette Knecht und zahlreiche Beispiele aus dem ganzen Land erläutern, welche Sonderrechte die Kirche hat und wie sie begründet werden, was das für die Mitarbeiter bedeutet und für die Gesellschaft – und wer für dieses Modell bezahlt.

1.
»Schädliches Ärgernis«
    Der Fall Rauschendorf
    Rauschendorf ist ein Ortsteil von Stieldorf, Stieldorf gehört zu Königswinter und Königswinter liegt in der Nähe von Bonn. Wer nach Rauschendorf auf den Berg zieht, weiß, dass man sich hier auf der Straße grüßt. Wenn im August das Sommerfest im Hof des Kindergartens stattfindet, helfen alle beim Budenaufbau. Der Männergesangsverein zieht die roten Festtagswesten an und singt mit den Kindergartenkindern im Kanon. In Rauschendorf wohnen Familien, die Ruhe suchen. Die meisten, die hier wohnen, sind katholischen Glaubens. Rauschendorf hat zwar keine eigene Kirche, aber eine kleine Andachtskapelle im Ortskern und seit vierzig Jahren einen katholischen Kindergarten. Dieser befindet sich in einem roten Backsteingebäude mit Spitzdach. Auf dem Vorplatz steht eine alte Kastanie, in deren Schatten die Kinder im Sommer spielen. Über der Tür steht in Schreibschrift »Alte Schule«. Das Gebäude gehört der Stadt.
    Seit vierzig Jahren arbeiten in diesem Haus katholische Erzieherinnen, sie beten mit den Kindern, feiern die Adventszeit und Ostern, basteln zu St. Martin Laternen und singen christliche Lieder. Gerade erst sind dieser Kindergarten und drei weitere der Region zu einem ›katholischen Familienzentrum‹ zusammengeschlossen worden und die Pfarrgemeinschaft hat den Eltern geschrieben, dass man sie und die Kinder nun noch intensiver religiös und seelsorgerisch begleiten könne.
    Doch dazu kommt es nicht mehr. Denn im Herbst 2011 berichtet die Kindergartenleiterin einer Mutter, dass Pfarrer und Kirchenvorstand ihr mit der Kündigung drohten, weil sie mit ihrer neuen Beziehung nicht einverstanden seien. Dass sie vermutlich bald nicht mehr die Kindergartenleiterin sein werde.
    Es ist der Tag, an dem im sonst so friedlichen Rauschendorf der Aufstand beginnt.
    All das ist ein Jahr her. Es ist inzwischen Herbst 2012 und die Eltern, die sich fast zwölf Monate lang gegen die Kündigung ihrer Kindergartenleiterin gewehrt haben, sind heute noch einmal zusammengekommen. Sie wollen erzählen, was sich in ihrem Dorf abgespielt hat.
    Der Treffpunkt ist, wie so oft im vergangenen Jahr, das
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