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Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Titel: Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Autoren: Eva Müller
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Wohnzimmer von Canina und Peer Jung, deren Söhne auch in den Kindergarten gehen. Zu siebt sind sie heute hier, der harte Kern, auch Alice Ernst ist mit dabei. »Normalerweise ist der Elternbeirat nur dafür da, Kakao und Glühwein aufzuwärmen«, lacht sie. »Aber bei dieser Sache waren wir uns ziemlich schnell einig, dass wir das nicht so einfach hinnehmen wollen.« Sie zupft an ihrem schwarzen T-Shirt, wirft mit einem Schwung ihre braunen Locken nach hinten und setzt sich gerade hin. Alice Ernst hat in Bonn im Qualitätsmanagement einer Bank gearbeitet. Dann wollten sie und ihr Mann gerne viel Platz und einen Garten, so kamen sie nach Rauschendorf. Die Ernsts haben zwei Söhne und eine Tochter und nichts gegen ein viertes Kind.
    Die Gastgeberin Canina Jung knipst die beiden kleinen Schirmlampen mit den Messingfüßen rechts und links vom leuchtend roten Sofa an. Es ist gemütlich in dem Raum mit den gelb gestrichenen Wänden. Auf dem massiven Holztisch findet sich die Grundausrüstung der vergangenen Zeit: Gummibärchen, Wasser, viel Kaffee, viel Papier. »Nehmt euch ruhig!«, ermuntert Peer Jung seine Gäste, schlägt die Beine übereinander und legt eine Mappe auf den Knien ab. Man kann nicht sagen, dass Canina und Peer Jung aussehen wie Revolutionäre. Peer Jung ist Insolvenzverwalter. Er trägt eine Nickelbrille und unter dem apfelgrünen Pulli ein rot-weiß kariertes Oberhemd. Seine Frau setzt sich neben ihn. Sie hat Verlagskauffrau in Hamburg gelernt. Die Söhne heißen Titus, Nepomuk und Florentin, sie schlafen im ersten Stock.
    Peer Jung hat auf der Arbeit jeden Tag mit Menschen zu tun, die ihren Job verlieren, aber dieser Fall liegt anders. Denn Bernadette Knecht wurde nicht entlassen, weil die Firma pleite ist, sondern weil sie zu ihrem neuen Lebenspartner gezogen ist.
    »Wir haben erst einmal schlicht nicht begriffen, warum die Kirche so entscheidet«, sagt Peer Jung und man merkt, dass ihn das alles auch ein Jahr danach noch ärgert. »Warum eine gute und geschätzte Kindergärtnerin gehen muss, wegen einer Sache, die unserer Meinung nach ihr Privatleben betrifft und nicht ihre Arbeit. Aber wir sind auch keine Spezialisten in kirchlichem Arbeitsrecht beziehungsweise«, er lacht und verbessert sich, »wir waren keine Spezialisten in kirchlichem Arbeitsrecht.« Am Anfang habe es erst einmal nur Diskussionen unter den Eltern gegeben. Bei jedem Hinbringen, jedem Abholen der Kinder.
    Die Elternschaft des Rauschendorfer Kindergartens ist gut gemischt. Es gibt klassische Familien, Alleinerziehende und Geschiedene. Es gibt vor allem Christen, aber auch Andersgläubige und Konfessionslose. Es gibt wie überall einige, die mehr, und andere, die weniger mit der Kirche zu tun haben. Bei allen aber sei der Tenor gewesen: Das kann doch nicht wahr sein.
    »Frau Knecht ist wunderbar zu unseren Kindern. Ich finde es auch wesentlich wichtiger, dass die Qualität stimmt, als dass irgendwelche Vorgaben der Kirche gelebt werden«, betont Canina Jung. »Es geht der Kirche um die Heiligkeit der Ehe«, bemerkt Alice Ernst, die selbst katholisch ist. »Ich möchte einfach«, sagt Canina Jung, »dass unseren Kindern das Lebensmodell von Frau Knecht vorgelebt wird: Es ist schön, wenn eine Ehe hält, aber es kann eben auch anders kommen.« Und schon sind sie wieder in der Diskussion, mit der ihr Jahr begonnen hat.
    Derjenige, der das alles ganz anders sieht, macht gerade einen Gang um seine Kirche. »Ja, es gibt hier schon ein paar schöne Dinge, die es nicht in jeder Pfarrei gibt«, stellt Pfarrer Udo Maria Schiffers fest. »Da unten zum Beispiel«, er zeigt in Richtung Dorf, »ist ein Wohnhaus für Behinderte, das der Caritasverband betreibt.« Er geht ein paar Schritte weiter. »Die Behinderten sind in unserer Gemeinde sehr gut integriert.« Zwischen der Kirche und den Gräbern des Friedhofs ist nur ein guter Meter Platz. Direkt an der Rückwand liegt die Priestergrabstätte. Pfarrer Schiffers bleibt vor zwei noch leeren Grabstellen stehen. »Ja und da oder dort, je nachdem, wer vorher stirbt, komme ich mal zu liegen.« Er lächelt.
    Auch wenn er gerne über den Friedhof geht, ist Pfarrer Schiffers kein Mann, der Gesellschaft scheut. Er fährt regelmäßig mit seiner Motorradgruppe durch ganz Europa, geht schwimmen, und er ist stolz auf seine Gemeinde. »Wir haben hier ein sehr reiches Gebetsleben. Tägliche Rosenkranzandachten im Oktober, tägliche Maiandachten im Marienmonat. Da kommen so zwanzig bis vierzig Leute hin.«
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