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Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Titel: Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Autoren: Eva Müller
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Personal der Kirche. Sie ist zwar gläubige Christin, aber keine Ordensschwester, die ihre Arbeit und ihr Leben als Erfüllung eines christlichen Auftrags sieht. Trotzdem betrifft auch Bernadette Knecht das besondere kirchliche Arbeitsrecht. Denn auch wenn das Ordenspersonal zunehmend aus Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen schwindet, sind die Grundlagen für die Angestellten in den christlichen Häusern damals wie heute dieselben. Für Hunderttausende gilt ein Recht, das sich erheblich von dem aller anderen Arbeitnehmer in Deutschland unterscheidet. Denn die Kirche versteht sich und ihre Arbeitnehmer bis heute als Gemeinschaft von Gläubigen, als sogenannte Dienstgemeinschaft. Sie geht davon aus, dass alle, die Teil dieser Gemeinschaft sind, das gleiche Anliegen haben, im Auftrag Gottes arbeiten und deshalb mit Streit eher nicht zu rechnen ist. Wenn es doch Konflikte gibt, sollen diese ohne Druck von außen innerhalb der Gemeinschaft beigelegt werden.
    Aus diesem Grund halten sowohl die katholische wie auch die evangelische Kirche ein Streikrecht für ihre Arbeitnehmer für unangebracht. Statt eines Betriebsrates gibt es lediglich Mitarbeitervertretungen und die Löhne werden auch nicht über Tarifverhandlungen mit Gewerkschaften festgesetzt, stattdessen regeln dies die Mitarbeiter selbst in Gremien, die zu gleichen Teilen aus den Reihen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer besetzt sind.
    Rechtlich sind diese schwächeren Mitbestimmungsrechte unter anderem möglich, weil das Betriebsverfassungsgesetz für die Kirchen und ihre Einrichtungen nicht gilt. Die Ausnahmeregelung findet sich in den Bestimmungen selbst in Paragraf 118, Absatz 2. Dort steht: »Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform.« Zwar gilt das Gesetz auch für Tendenzbetriebe wie Parteien oder Interessenverbände nur eingeschränkt, da die Mitarbeiter sich dort verpflichten, hinter der Linie ihres Arbeitgebers zu stehen, der ein bestimmtes Ansinnen verfolgt. Aber nur bei den Religionsgemeinschaften finden die Regelungen überhaupt keine Anwendung. Das bedeutet: Der Staat hat keinerlei Einfluss darauf, wie die Kirchen die Mitbestimmungsrechte ihrer Mitarbeiter regeln. Dies wurde erst 1952 unter Konrad Adenauer beschlossen. Im Betriebsrätegesetz der Weimarer Republik gab es diese Einschränkung nicht.
    Ein weiteres Gesetz, das für die Kirchen Ausnahmen macht, ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Arbeitnehmer in Deutschland vor Diskriminierung schützen soll. In Paragraf 9 Absatz 2 steht, dass Religionsgemeinschaften und Vereinigungen, »die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen«, das Recht haben, »von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können«. Diese Ausnahme gibt den Kirchen als Arbeitgeber die Möglichkeit, Religionszugehörigkeit zum Einstellungskriterium zu machen. Zum anderen ist dadurch legitimiert, dass auch das Verhalten der Arbeitnehmer außerhalb des Dienstes in einer kirchlichen Einrichtung zum Loyalitätsverstoß erklärt werden kann.
    Natürlich ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Arbeitgeber von seinen Beschäftigten eine gewisse Loyalität erwartet. Aber besonders bei der katholischen Kirche reichen die Verpflichtungen, denen die Mitarbeiter mit ihrem Arbeitsvertrag zustimmen, weit ins Privatleben.
    Die Geschichte von Bernadette Knecht ist solch ein Beispiel. Mit ihrer neuen Beziehung hat sie gegen das sechste Gebot verstoßen: Ehebruch. Damit hat sie ihre Loyalitätspflicht verletzt. Bernadette Knecht wurde – wie Pfarrer Schiffers es sagte – gekündigt, um die Gefahr eines »schädlichen Ärgernisses« für die christliche Gemeinschaft zu vermeiden.
    Nicht weit von Rauschendorf entfernt geht im Herbst 2012 im Wald des Siebengebirges das Paar spazieren, das in den Augen der katholischen Kirche kein Paar sein darf.
    Es ist nass und kalt. Aber diesen Spaziergang machen Bernadette Knecht und Josef Griese mindestens einmal in der Woche, egal wie das Wetter ist. Die beiden gehen zügig, sie kennen den Weg gut. Wenn es hier und da steinig wird, halten sie sich an der Hand. Josef Griese ist fast zwei Köpfe größer als Bernadette Knecht. An diesem Tag trägt er Gummistiefel und einen Parka, er ist gerne an der frischen Luft. Er arbeitet hier ganz in der Nähe, als
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