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Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Titel: Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Autoren: Eva Müller
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Sitzung gegeben, weil sich die CDU nach hitzigen Diskussionen noch einmal intern beraten musste. Danach, so erzählt Richard Ralfs von den Grünen, sei man sich aber einig gewesen, dass man den Elternwillen berücksichtigen müsse, und die hätten sich für das Christliche Jugenddorf Christopherus ausgesprochen. Außerdem sei auch Bernadette Knecht gegen den Probsthof gewesen. »Da hätte sie nämlich als Leiterin zum evangelischen Glauben konvertieren müssen und das wollte sie nicht«, erklärt Richard Ralfs. Zwar zahle das CJD jetzt auch weniger, als sie nach Gesetz müssten, nämlich nur zwei und ab 2015 drei Prozent Eigenanteil. »Aber es ist trotzdem noch günstiger als vorher.«
    Nein, sagt er dann noch, die Idee, einen eigenen, kommunalen Kindergarten aufzumachen, habe es in der Ratssitzung nicht gegeben. »Dann hätte wahrscheinlich die katholische Kirche dem vorzeitigen Betriebsübergang nicht zugestimmt, wenn wir uns für einen nicht christlichen Träger entschieden hätten.« Die Kirche hätte nicht zugestimmt? »Bei einem Betriebsübergang müssen die Leute miteinander reden. Nicht dass dann noch der Streit ums Inventar anfängt. Außerdem sei so keine Ausschreibung nötig gewesen.« Richard Ralfs kommt ins Nachdenken. »Ja, ich habe das Gefühl, dass die Kirche manchmal noch ganz schön viel zu sagen hat. Definitiv. Oft sehe ich nicht den Grund, warum das so ist und warum das weiterhin so sein soll.«
    Einige Fragen bleiben nach der Entscheidung in Rauschendorf offen. Fragen, die dort nicht geklärt werden können. Etwa ob ein Staat es sich leisten kann, dass für Hunderttausende »seiner« Beschäftigten wesentliche Errungenschaften der modernen Zeit nicht gelten. Und ob die finanzielle Förderung kirchlicher Sozialeinrichtungen nicht in Zukunft an die Einhaltung grundlegender arbeits- und sozialrechtlicher Standards geknüpft werden muss.
    Dass die Beziehung zwischen Kirche und Gesellschaft neu definiert werden muss, scheint klar. Nur wie? Papst Benedikt XVI. hat auf seiner Deutschland-Reise 2011 gesagt: Die Kirche müsse sich entweltlichen, um ihrem Auftrag besser gerecht zu werden. Seitdem wird innerhalb der Kirche darüber diskutiert, was er damit wohl genau gemeint habe. Die Fälle Rauschendorf, Düsseldorf, Emmerich, Stadthagen, Berlin, Neu-Ulm und viele andere weisen darauf hin, dass die Kirche sich entscheiden muss, wie sie mit der Welt, in der auch all ihre Mitarbeiter leben, umgehen will.
    Ein Jahr lang haben die Eltern in Rauschendorf dafür gekämpft, dass die katholische Kirche gehen muss. Nun ist die evangelische Kirche da. »Uns ging es ja nie um eine grundsätzliche Kritik an der Kirche oder am christlichen Glauben«, erklärt Alice Ernst, warum sie mit der Entscheidung der Stadt gut leben kann. »Wir sind auch vorher eine echte christliche Einrichtung gewesen. Das ist für uns ein Stück Kultur, das wir nicht wegdenken können.« – »Wenn meine Kinder hier bei Frau Knecht etwas über Religion lernen, dann buche ich das unter Vermittlung von Grundwerten ab, nicht unter Gehorsam zur Kirche«, sagt Peer Jung. »Natürlich ist das ein Dilemma. Ich bin mir aber sicher, man kann eine gute christliche Einrichtung sein, ohne so sehr in das Leben der Mitarbeiter einzugreifen.«
    Und wenn es doch wieder so weit kommen sollte, dass etwa eine nicht gläubige Bewerberin bei ihnen keine Stelle bekomme, dann wären sie wieder bereit zu kämpfen, sagen die Eltern. »Ich glaube«, legt sich Alice Ernst fest, »dass wir uns da in einer Form positioniert haben, die Träger mit solchen Ansinnen schon eher abschreckt.« Peer Jung stimmt ihr zu. »Das halte ich für nicht durchsetzbar. Hier zumindest. Das Thema wird natürlich in anderen Kindergärten weiter lebendig bleiben, aber hier glaube ich nicht.«
    Pfarrer Udo Maria Schiffers sitzt nach seinem Urlaub im Herbst 2012 im Pfarrbüro. Nein, er gräme sich nicht. Er sei froh, dass der Kindergarten nun eine evangelische Einrichtung sei und damit nicht völlig vom christlichen Glauben entfernt. Natürlich habe er sich über die Zeit auch Gedanken gemacht, ob diese ganze Konstruktion, auch die Finanzierung durch die Stadt, nicht ein Fehler gewesen sei. »Aber trotzdem finde ich es nach wie vor richtig, dass eine Religionsgemeinschaft sagen kann: In unseren Einrichtungen dürfen nur Leute arbeiten, die unsere wichtigsten Werte mittragen.« Auch wenn die eigenen Mitarbeiter komplett vom Staat bezahlt werden? »Das muss sich der Staat überlegen, ob er das
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